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Was man so alles machen könnte…

 Beispielszenarien für die digitale Lehre in der Kunstgeschichte

Mit der Umstellung von klassischen Seminaren oder Vorlesungen auf eher interaktive Webinare eröffnet sich eine neue Welt der Möglichkeiten. Diese Fülle an Neuem kann jedoch auch schnell überfordern.Es ist schön zu sehen, dass in der wissenschaftlichen Community diverse Linksammlungen und Empfehlungen geschrieben werden, die dabei helfen können, einen Überblick zu gewinnen. Doch bei all diesen Informationen kann es auch zu einer großen Herausforderung werden, für sich selbst und die eigene Seminaridee eine gangbare Lösung zu finden.

Eigene Lernkurve mitdenken

Zuallererst muss klar sein: DIE perfekte digitale Lehrveranstaltung gibt es nicht. Noch dazu kann man sich von der Vorstellung verabschieden, dass man als (noch nicht digital geschulte) Lehrperson im digitalen Raum die gleiche Souveränität an den Tag legen kann, wie man es im Seminarraum gewohnt ist. Vor allem dann nicht, wenn man selbst erst den Einstieg in die neuen Vermittlungsformate finden muss.

Sich mit Kollegen*innen austauschen

Mir selbst hat dabei der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen geholfen, die mir als Hospitantin einen Blick hinter die Kulissen gewährt haben. Dabei ging es nicht darum, mich von ihren Lernkonzepten zu überzeugen. Vielmehr haben sie mir offen erzählt, was gut funktioniert hat, mit welchem Experiment sie unzufrieden gewesen sind und wann ein Seminar komplett aus dem Ruder gelaufen ist. 

Exkurs:

Aus aktuellem Anlasse habe ich mit meiner Kollegin Bettina Keller ein Gespräch ihre Erfahrungen mit digitalen Lerninhalten geführt. Seit 2012 gibt es am Institut für Kunstgeschichte der FAU Erlangen-Nürnberg das Projekt “Teaching Art Historians Online”, in dem Lernmodule und E-Prüfungen für Großveranstaltungen entwickelt werden. Sie gibt in dem Gespräch einen Einblick in die didaktische Funktion der jeweiligen digitalen Bausteine und Beschreibt den damit verbundenen Aufwand.

Eigene Experimente machen

Mit der Zeit habe ich dann selbst herausgefunden, mit welchen Foren und Messengern meine Studierenden und ich gut zurecht kommen, welche Video-Meeting-Plattform für welche Gruppengröße gut funktioniert und wie man die Studierenden bei den Gruppenphasen nicht alleine lässt: eine gute Mischung aus Learning-by-Doing und Mut zum Scheitern. Dabei kann ich nur empfehlen, die Schulungsangebote in der Hochschuldidaktik am eigenen Standort zu besuchen. An der FAU Erlangen-Nürnberg gibt es zum Beispiel ein Institut für Lern-Innovation, das gerade in dieser Ausnahmesituation uns Dozierenden mit der Infoseite “schnell digital!” die Arbeit sehr erleichtert. Im Accord werden dort gerade Anleitungsvideos und Hilfestellungen produziert. In Einzelgesprächen kann man dann mit den Spezialist*innen der Hochschuldidaktik die eigenen Ideen konkretisieren. Nicht alle diese Erfahrungen und Methoden der digitalen Lehre sind natürlich auf einen selbst oder das eigene Fach übertragbar. Es gilt jetzt, sich mutig in Experimente zu stürzen, die Studierenden dabei mitzunehmen und zu akzeptieren, dass man selbst auch noch eine Menge lernen kann.

Kreative Szenarien austauschen

Gerade in den letzten Tagen sind dabei unterschiedliche Szenarien entstanden, die mal mehr, mal weniger konkret auf Lerninhalte und Sozialformen eingehen. Ich teile diese ersten Entwürfe gerne mit Ihnen und hoffe, dass das ein oder andere Sie bei der Vorbereitung Ihrer digitalen oder virtualisierten Lehre inspirieren kann. Manches davon sind komplette Seminarideen, anderes nur Bausteine, die man flexibel für die eigene Seminaridee zusammensetzten kann:

  • Seminaridee: Fachterminologie und Beschreiben lernen mit Peer-Feedback
  • Seminaridee: vergleichendes Sehen 
  • Baustein: Angeleitete Lektüre in Gruppenarbeit
  • Baustein: inszenierter Disput
  • Baustein: Vorlesung mit eAssessments begleiten

Seminaridee: Fachterminologie und Beschreiben lernen mit Peer-Feedback

Lernziele:

  • Fachterminologie kennen, anwenden können
  • Reflexion über Stile in der Architektur

Kompetenzerwerb: Online-Gruppenarbeiten einüben, Etikette des kooperativen Schreibens in Living Documents, Feedbackkultur aufbauen

Geeignet für das Propädeutikum

Seminarkonzept

In dem Seminar soll es um die Vermittlung, das Einüben und das Reflektieren von Fachterminologie gehen. Als Beispiel habe ich hier die Architekturbeschreibung herausgegriffen.

Exkurs:

Erklärvideo zum Erstellen einer geteilten Bildsammlung in Prometheus-Bildarchiv 

Inhaltlich gehe ich so vor, dass die Studierenden zunächst von mir als Impuls in die Architekturbeschreibung eingeführt werden. Das mache ich mit einer vertonten Videopräsentation, da ich das bei einem Präsenzseminar auch frontal mit einem Vortrag gemacht hätte. Danach haben die Studierenden Zeit, mit Hilfe des bereitgestellten Materials (Scans) die Fachterminologie zu lernen. Um zu prüfen, ob sie das schon können, werden ihnen individuell Bauwerke zugewiesen, die sie innerhalb kurzer Zeit beschreiben können sollen. Das reichen sie als Tonaufnahme ein. Die Studierenden können sich nun gegenseitig über das in StudOn angelegte Forum Feedback geben.

Das Ganze wiederholt sich mit einem neuen Bauwerk, bis allen die Baubeschreibung leicht fällt und die Begriffe sitzen.

Damit die Studierenden den Überblick nicht verlieren, habe ich die Sozialformen als Phasen bezeichnet und jeder eine Kategorie zugewiesen:

  • Phase "Input"
    In der Phase "Input" erhalten die Studierenden von mir Material, das ihnen Wissen vermitteln soll. Es geht hier im Großen und Ganzen um die strukturierte Vorstellung der Inhalte. Dies kann zum Beispiel in Form eines Videos geschehen, das sie sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt angeschaut haben sollen. Sie finden auch gelegentlich Lektüre in dieser Phase, die sie mit Hilfe von Leitfragen durcharbeiten sollen.
  • Phase "jeder für sich"
    In der Phase "jeder für sich" geht es darum, dass die Studierenden die vermittelten Inhalte für sich und ihren Lerngewohnheiten entsprechend aufarbeiten und sich einprägen. Sie müssen im Laufe der Zeit sich Strategien entwickeln, wie sie am besten Lernen können. Diesen Prozess unterstütze ich mit individuellen Gesprächseinheiten.
  • Phase "Gruppenarbeit"
    In der Phase "Gruppenarbeit" gehen die Studierenden mit den Mitgliedern der zu Beginn des Seminars zugewiesenen Gruppe zusammen, um gemeinsam die Arbeitsaufträge zu erarbeiten. Sie sind als Gruppe selbst für die Organisation und Kommunikation verantwortlich. Wenn es gewünscht ist, werde ich in Live-Meetings als stille Beobachterin dazu kommen.

 

Das Seminar habe ich als Demo-Kurs auf der Lernplattform StudOn (ILIAS) vorbereitet. Ich lege den Kurs zu Beginn nie vollständig an, denn es ist stark von der Bereitschaft der Studierenden zum Selbststudium abhängig, ob der Plan so eingehalten werden kann. Die Struktur ist noch nicht ganz optimal, gibt den Studierenden aber eine Orientierung.

Seminaridee: vergleichendes Sehen

Lernziele:

  • Fachterminologie kennen, anwenden können
  • Kunsthistorisches Sehen lernen
  • Verbalisieren des Gesehenen

 

Kompetenzerwerb: 

Online-Gruppenarbeiten einüben, im Workspace Slack kommunizieren, Etikette des kooperativen Schreibens in Living-Document Etherpad, Feedbackkultur aufbauen


Geeignet für das Propädeutikum

Seminarkonzept

Dieses Seminar ist dazu ausgerichtet, den Studierenden die Methode und Kernkompetenz der Kunstgeschichte zu vermitteln und einzuüben: das vergleichende Sehen. Dazu werden zu Beginn des Semesters die Studierenden in 3er Gruppen eingeteilt, die das ganze Semester bestehen bleiben. In diesen Gruppen stellen sie sich gegenseitig mit vertonten Videopräsentationen ihre Bildbeschreibungen vor und man geht als Lehrperson nur korrigierend mit rein. In der Hälfte des Semesters werden die aufbereiteten Vergleiche dann dem ganzen Kurs offen gestellt. Nun ist jeder aufgefordert, konstruktiv Kritik zu üben. Das Peer-Feedback-Verfahren muss vorher vorgestellt und die Regeln der Etikette noch einmal verdeutlicht werden.Nach dieser Phase gibt es ein Video-Meeting, in dem die bisherigen Lernerfolge betont werden und noch häufig auftretende Fehler und Probleme thematisiert werden können.In der zweiten Hälfte des Seminars bekommen die Studierenden neue Bildvergleiche. Nun sollten sie es in ihrer zweiten Bildbeschreibung leichter haben und besser vorangekommen. Als Lehrperson moderiert man den Austausch untereinander im Workspace des Seminars und hilft bei Fragen. Als Aufgabenstellung sollen sie sich in ein Szenario eindenken:“Diese beiden Gemälde hängen nebeneinander in einer Galerie. Es gibt keine Beschilderung. Eine irritierte Besucherin bittet Sie ihr zu erklären, was sie da gerade sieht und was diese beiden Werke miteinander zu tun haben. Die Besucherin telefoniert aber gleichzeitig mit einer Freundin, die wegen einer Knieoperation gerade nicht ins Museum kann. Führen Sie den Bildvergleich so, dass die Dame am Telefon sich die Werke auch vorstellen kann.”


Begleitet wird das Seminar von einem Slack-Workspace. Dieser dient nicht zur zum Austausch über organisatorisches. Es werden Channel für die jeweiligen Gruppen eingerichtet. In diesen sollen sich die Studierenden gegenseitig bei Fragen helfen wie zum Beispiel:

  • Wie nennt man das? 
  • Funktioniert es, wenn ich bei dieser Person mit der Beschreibung anfrange? 
  • Ich habe eine erste Version, könnte jemand drüberschauen?

 

Zur Seminarleistung gehört der Upload von zwei Bildvergleichen, benotet wird nur der zweite.

Baustein: Angeleitete Lektüre in Gruppenarbeit

Gerade zum Erarbeiten von Inhalten und dem Erlernen eines souveränen Umgangs mit Forschungsliteratur bietet sich eine angeleitete Lektüre an. Dabei kann die Gruppengröße je nach Aufgabenstellung und Schwierigkeitsgrad des Textes variieren.

  • Texte zur Verfügung stellen
  • Gruppe einteilen
  • Etherpad / GoogleDocs für die Gruppe anlegen
  • alle Gruppenmitglieder einladen
  • Arbeitsaufträge stellen
  • Angebot der Gruppensprechstunde zu einem festgelegten Termin
  • Ergebnis der Gruppenarbeit soll von der Gruppe bis zu einem festgelegten Termin für alle bereitgestellt werden. Format könnte flexibel variieren zwischen
    • 4min Pitch (Präsentationsvideo)
    • Infografik
    • Poster
    • … (Kreativität kennt keine Grenzen)
  • Peer Feedback

Baustein: inszenierter Disput

Es ist kaum etwas Spannenderes, als zwei Spezialist*innen beim wissenschaftlichen Streitgespräch beizuwohnen. Ein verbaler Schlagabtausch gibt dabei nicht nur einen Einblick in wissenschaftliche Argumentationsführung, sondern zeigt auch deutlich die unterschiedlichen Perspektiven auf.
Der Baustein kann auf zwei unterschiedliche Arten verwendet werden. Er könnte zum Beispiel zum Erlernen von wissenschaftlichem Argumentieren eingeführt werden. Man teilt die Gruppe in zwei Lager, stellt eine steile These in die Mitte und vergibt die Rollen als Aufgabe die Rollen, die These zu verteidigen und zu widerlegen. In den Gruppen müssen sich die Studierenden dann zu Spezialisten entwickeln, um bei den Argumentationsrunden punkten zu können.
In einer anderen Variante kann man sich ein selbst eine/n Gesprächspartner*in einladen, um im kollegialen Streitgespräch Gedanken zu entwickeln, Hypothesen zu diskutieren oder neue Ansätze durchdenken. Solche Dispute können als Input für die Inhaltsvermittlung oder als Anregung für eine Diskussion dienen. Dafür zeichnet man einfach das Gespräch (mit oder ohne Video) auf und stellt es den Studierenden zur Verfügung.

Baustein: Vorlesung mit eAssessments begleiten

Eine Vorlesung an sich ist relativ einfach in das Digitale zu übertragen. Mit einer guten Ausrüstung lassen sich die vorbereiteten Präsentationen ganz einfach vertonen, sogenannte Screencasts. Um den Wissenserwerb für die Studierenden zu erleichtern, habe ich sehr gute Erfahrungen mit eAssessments gemacht, also kleine, sich selbst korrigierende Quizeinheiten. Darin werden die zentralen Themen der jeweiligen Sitzung überprüft und die Studierenden können besser nachvollziehen, was “das Wichtige” gewesen ist. 
Dafür muss man sich mit den jeweiligen Angeboten der gewählten Lernplattform auseinandersetzen. 

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