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Wohnst du schon? Musterkataloge für Möbel und Hausrat der Deutschen Werkstätten Hellerau.

Jüngst gelang es der SLUB/ Deutsche Fotothek einen Satz Musterkataloge der Deutschen Werkstätten Hellerau zu erwerben. Das Konvolut aus insgesamt sechs Bänden dokumentiert in über 1.000 Fotografien die ganze Breite der Hellerauer Produktpalette. Gut bekannt sind bisher die gedruckten Möbel- und Angebotskataloge des Dresdner Unternehmens. Die nun angekauften, opulent gestalteten Kataloge mit Originalfotografien aber scheinen der Forschung bislang nahezu unbekannt zu sein.[1] Somit erweisen sich die in Samt gebundenen Bände im Großfolio-Format, die vermutlich gegen Ende der 1920er Jahre entstanden, als wahre Rarität.

Die Deutschen Werkstätten Hellerau

Die Deutschen Werkstätten Hellerau waren wegweisend für das moderne Möbeldesign. 1898 von Karl Schmidt unter dem Namen Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst (man beachte die bewusste Verbindung von Handwerk und Kunst) gegründet, bekannte sich das Unternehmen von Anfang an zu den »neuen Forderungen der Kunstgewerbebewegung« und suchten, sich mit den »besten künstlerischen Kräften zu verbinden«.[2] Schmidt engagierte Künstler, die namentlich für die Entwürfe verantwortlich zeichneten und am Gewinn der verkauften Möbel beteiligt waren – auch in dieser Hinsicht zeigte sich sein fortschrittlicher Geist.[3] Dieses Konzept wertschätzte Entwurf und Entwerfer gleichermaßen und stellte für die Künstler ein auch finanziell attraktives Angebot dar. Der Erfolg gab Schmidt Recht. Nicht nur, dass die Deutschen Werkstätten auf zahlreichen Kunstgewerbeausstellungen positiv wahrgenommen wurden, das Unternehmen verzeichnete auch einen wirtschaftlichen Aufschwung – Bestätigung genug, um den eingeschlagenen Weg des künstlerisch gestalteten Industrieproduktes weiter konsequent zu verfolgen.[4] Hellerau erwarb sich mit seinen qualitätvollen Möbeln in den 1910er/20er Jahren einen weit über die Zeit hinausweisenden Namen, der letztendlich bis heute trägt.

Die Musterkataloge

Das nun für die SLUB erworbene Konvolut ermöglicht einen tieferen Einblick in die Produktion des Dresdner Unternehmens. Es umfasst einen – vermutlich vollständigen, weil die ganze Produktvielfalt abdeckenden – Satz aus fünf Bänden mit jeweils 50 bis 60 Seiten, auf denen in der Regel ein bis zwei fotografische Abzüge die Produkte visualisieren. Den damaligen Gepflogenheiten der Raumgestaltung entsprechend wurde das Angebot unterteilt in unterschiedliche Funktionalitäten: Band 1 widmet sich dem »Empfangs-, Damen-, Musik, Wohnzimmer«, Band 2 ist mit »Hallen, Speisezimmer« tituliert, während Band 3 dem »Herrenzimmer« und den »Bibliotheken« vorbehalten ist. Mit »Schlafzimmer, Ankleidezimmer, Küchen« (Band 4) werden auch die praktischen Räumlichkeiten abgedeckt. Schlussendlich wird mit »Verschiedenes« im Band 5 auch der ganze nützliche und hübsche Hausrat – Spiegel, Lampen, Wohntextilien, Glaswaren – angeboten, der das Interieur erst wohnlich macht. Vertreten sind Entwürfe aller wichtigen Entwerfer: Richard Riemerschmidt, Bruno Paul, Lucian Bernhard, Else Wenz-Viëtov, Adelbert Niemeyer und andere.

Der dritte Band liegt doppelt vor, wobei die Bildauswahl nicht deckungsgleich ist. Das heißt, es müssen mindestens zwei Sätze der Kataloge existiert haben. Über den Verwendungszweck lässt sich derzeit nur spekulieren. Alle Bände sind mit einer schließbaren Bindung versehen, die es erlaubt Einzelblätter zu entnehmen. Dass mit den Büchern gearbeitet wurde, ist heute an falsch herum eingehefteten Blättern und Notizen zur richtigen Position erkennbar. Denkbar ist, dass die Fotografien für die Kundenberatung eingesetzt wurden, sind doch die meisten Abbildungen in Katalogmanier sorgfältig mit Produktnummer, Kurztitel und Entwerfer bezeichnet. Auch Größe und Qualität der Abzüge sowie das sorgfältige Arrangement der Waren sprechen für einen werbend-verkäuferischen Verwendungszweck. 

Ausblick

Aus heutiger Sicht sind die großformatigen Fotografien und deren Beschriftung von unschätzbarem Wert für die Forschung. Mithilfe dieser Informationen kann die Erstellung von Konkordanzen und Zuordnungen der Hellerauer (Möbel-) Produktion der Zwischenkriegszeit vorangetrieben werden. Erste Gespräche mit den Deutschen Werkstätten Hellerau und dem Hauptstaatsarchiv Dresden, das das Werksarchiv als Depositum verwahrt, ergaben reges Interesse an den Bänden, so dass nun die Idee eines gemeinsamen Projektes weiterverfolgt wird. Am Ende einer solchen Erschließungs- und Forschungsarbeit könnte eventuell die Frage nach Sinn und Zweck der Bände geklärt und vor allem ein digital unterstütztes Netzwerk zu den überlieferten, teils noch unzureichend erschlossenen Materialien vorgelegt werden, das der Forschung wertvolle Rückschlüsse ermöglicht und neue Forschungsfragen generiert.

[1] Ein Hinweis auf die Bände findet sich in Klaus-Peter Arnolds Standardwerk »Vom Sofakissen zum Städtebau. Die Geschichte der Deutschen Werkstätten und der Gartenstadt Hellerau« (Dresden, Basel 1993, Fußnote 490).

[2] Zitate aus: Arnold, Dresden, Basel 1993, S. 21.

[3] Zuvor verkauften die Künstler ihre Entwürfe zu einem einmaligen Festpreis, vgl. ebd., S. 22.

[4] Vgl. ebd., S. 33.

Fotos: SLUB/ Deutsche Fotothek

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