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"Scholar" versus "Expert" bei der Entlarvung von Kunstfälschungen?

In einem Kommentar-Artikel der „Art Newspaper“ vom 13. März 2017 anlässlich der TEFAF 2017  hat der Kunsthistoriker und frühere Direktor des Victoria & Albert Museums Mark Jones unter der Überschrift  Scholarly research is flourishing but curators’ ability to judge an object’s quality is not. Why museums are falling victim to fakers: expertise is undervalued and in declineeine interessante These geäußert: Jones, der u.a. als Kurator der bedeutenden Ausstellung Fake? The Art of Deception1990 am British Museum bekannt geworden ist, trennt darin nicht nur „scholarship“ (bei Jones anhand von Bestandskatalogen von Museen exemplifiziert) und „expertise“ („by which I mean the ability to recognise and identify objects, surmise their history from their appearance, tell the genuine from the false and make judgements about quality“) voneinander, sondern er stellt sie sogar regelrecht als „sometimes (…) antithetical” zueinander dar.
Anhand des Falles des 2007 zu einer Gefängnisstrafe verurteilten britischen Fälscher Shaun Greenhalgh versucht Jones dabei, seinen Standpunkt zu verdeutlichen: Sich u.a. auf eine Aussage von Vernon Rapley (dem früheren Leiter der „Art and Antique Unit“ von Scotland Yard und jetzigem „Director of Security and Visitor services“ am Victoria & Albert Museum) berufend, demzufolge es angeblich weniger die ästhetische Überzeugungskraft der gefälschten Objekte denn vielmehr die mit ihnen gelieferte gefälschte Provenienz war, welche das düpierte Museums- und Kunsthandels-Personal blendete, ist es Jones ein Anliegen, hierbei herauszustreichen, dass es sich bei den Getäuschten um „scholars“ und eben keine „experts“ gehandelt habe. Zur Bekräftigung zitiert er den Antiken-Experten Richard Falkiner, der 2005 ein vermeintliches, von Greenhalghs geschaffenes „assyrisches Relief“ anhand frischer Bearbeitungsspuren sowie Fehlern in Material und Stil ihm zufolge sofort als „obvious fakeentlarvte, während das Objekt zuvor vom British Museum als mögliches Original gehandelt worden war.
Jones mag in seinem Beitrag zu Recht auf einige Probleme hinweisen, die Museen heutzutage haben bzw. ihrem Kuratoren-Personal schaffen und die dafür sorgen, dass dieses immer seltener direkten, physischen Umgang mit seinen Exponaten pflegt wie z.B. Streichung von Stellen, eine zu große Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung oder eine starke Fixierung auf die Einwerbung von Finanzmitteln. Den Erfolg von Fälschungen auf eine zu starke Dominanz von „scholars“ unter den KuratorInnen zuungunsten einer Präsenz von „experts“ zurückzuführen bzw. den physischen Umgang mit den Objekten als einzig probates Mittel gegen Fälschungen zu propagieren, scheint jedoch zum einen problematisch sowie zum anderen nicht belegbar.
Denn blickt man in der Geschichte der Kunstfälschung zurück, so waren es durchaus sehr oft „experts“, wie Jones sie definiert, die auf Fälschungen hereinfielen: Es sei an dieser Stelle nur kurz auf Abraham Bredius, den früheren Direktor des Mauritshuis in Den Haag, verwiesen, der sich 1937 sicherlich nicht von der vollkommen vagen Provenienz täuschen ließ, die der Fälscher Han van Meegeren ihm bezüglich des gefälschten Vermeer-Gemäldes „Das Emmaus-Mahl“ auftischte; Bredius hielt es vielmehr, wie ein von ihm im „Burlington Magazine“ veröffentlichter enthusiastischer Artikel deutlich macht, aufgrund des ihm überzeugend („characteristic“) erscheinenden Mal-Stils für echt. Ebenso könnte man an dieser Stelle aber auch auf den in jüngerer Zeit von Wolfgang Beltracchis Max-Ernst-Fälschungen getäuschten Werner Spies verweisen, der sicherlich ebenfalls eher zu Jones‘ „experts“ denn „scholars“ zu rechnen wäre.
Ohnehin aber scheint die ganze Gegenüberstellung problematisch, denn letzten Endes sollten KunsthistorikerInnen „scholars“ und „experts“ gleichermaßen in dem von Jones gemeinten Sinn sein: Es ist weder alleine reines, aus versiertem Umgang mit Objekten resultierendes „Expertentum“, noch bloßes „Gelehrtenwissen“ über dokumentierte Provenienzen, die dabei helfen können, Fälschungen zu entlarven, sondern es ist im besten Fall die Kombination aus allen zur Verfügung stehenden Methoden – die von Jones ebenfalls eher als gelegentliche Ablenkung verstandenen naturwissenschaftlichen Methoden inklusive: Natürlich sagt das Resultat einer Materialanalyse („the paper is 16th century and the composition of the ink correct“) noch nichts darüber aus, ob die so ausgeführte Zeichnung tatsächlich aus dem 16. Jahrhundert stammt, aber im Verbund mit Expertenwissen und Provenienzforschung kann dies ein wichtiger Mosaikstein sein. Und dass nur der physische Kontakt mit dem in Frage stehenden Objekt die Grundlage für ein korrektes Urteil geben kann, wurde erst in jüngerer Zeit relativiert: Während ein Expertenteam um Horst Bredekamp sich von dem imposanten Detailreichtum des 2005 lancierten, vermeintlichen Druckexemplars von Galileos „Sidereus Nuncius“ ablenken und blenden ließ, war es der Wissenschaftshistoriker Nick Wilding, der rein über die von dem konkreten Objekt abstrahierende Betrachtung von Abbildungen auf die eine raffinierte Fälschung verratenden Fehler aufmerksam wurde.
In einem Punkt mag man Jones – bei aller kritischen Diskussion der ihm am Herzen liegenden Punkte – zustimmen: Wenn er darauf hinweist, dass „Education has little use now, after nursery school, for haptic skills or for the development of thinking through doing. And this is ever more the case as the educational ladder is scaled“. Denn auch und gerade die aktuelle kunsthistorische Lehre an den Universitäten tendiert in der Tat dazu, die physische Auseinandersetzung mit dem konkreten Objekt als einen Teil des Unterrichts zu vernachlässigen. Hierzu würde auch die Schulung der Studierenden nicht nur im Umgang mit Originalen, sondern auch und gerade mit Fälschungen gehören: Der Kunsthistoriker Otto Kurz schrieb 1948 ein „Fake“ betiteltes Handbuch, das wohl durch den zwei Jahre zuvor publik gewordenen Van-Meegeren-Skandal provoziert worden war – und das sich vielleicht auch deshalb im Untertitel an „Collectors and Students“ adressiert.

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