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Technische Paradiese. Die Zukunft in der Karikatur des 19. Jahrhunderts

Ein Gastbeitrag vom Miriam Elburn vom Museum LA8 in Baden-Baden für das Themenportal Caricature & Comic.

TECHNISCHE PARADIESE. Die Zukunft in der Karikatur des 19. Jahrhunderts  –  und die begleitende Vermittlung

Eine Ausstellung im Museum LA8 in Baden-Baden vom 24. Sept. 2016 bis 5. März 2017

Ein großes Anliegen des Museum LA8 ist es, den Besuchern – und gerade den Schülerinnen und Schülern, die Aktualität der Ausstellungsthemen nahezubringen. Wir zeigen den Zusammenhang, die Wechselwirkungen von Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts – aber vor allem deren Strahlkraft und Auswirkungen für unser heutiges alltägliches Erleben, für die heutige Realität. Wir stellen Themen aus, die bis heute für unsere Gesellschaft von Bedeutung sind.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert begegneten immer mehr Menschen immer mehr Maschinen in ihrem Alltag – zuerst nur in den frühindustriellen Fabriken und schließlich zu Hause. Wie diese neuen „industriellen Maschinen“ die Lebenswelt veränderten, spiegelt sich in der zeitgenössischen Karikatur. Sie war das ideale Medium um die spontanen Reaktionen festzuhalten.
Zeichner in Frankreich, England und Deutschland haben ihre Mitbürger im Umgang mit den Maschinen ganz genau beobachtet. Mit spitzer Feder zeichneten sie die Ängste, die Reisende bei der Bahnfahrt hatten oder die Beschreibung einer fantastischen Zukunft. Telegrafie, Telefon, Fernsehen, Heißluftballons, Eisenbahn, Auto und U-Boot, Fotoapparat, Wasch- und Nähmaschine lösten Begeisterung aus, aber machten auch Angst.  

Mit der Entwicklung der Drucktechniken im 19. Jahrhundert konnten Karikaturen sich dank hoher Auflagen zunehmend rasch verbreiten und ein breites Publikum erreichen. Sie wurden in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht, aber auch als Einzelblattdrucke. Satire-Magazine –  so fällt bei genauer Betrachtung der Karikaturen in der Ausstellung auf – greifen unabhängig von nationalen Schranken und politischen Systemen die Erfindungen der industriellen Revolution und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft in ähnlicher Weise auf. Bilderfindungen werden in England, Frankreich oder Deutschland verbreitet. Dabei fällt es mitunter schwer, aufgrund nahezu zeitgleicher Entstehung, den Urheber der jeweiligen Bildidee ausfindig zu machen.

Gerade der in der aktuellen Ausstellung unter anderem gezeigte Aspekt der Kommunikation – der neuen Erfindungen auf diesem Sektor – wie die elektrische Telegrafie (Samuel Morse, 1837) und darauffolgend das Telefon (Patent: Graham Bell, 1876) haben die Kommunikation weltweit revolutioniert. Die Unmittelbarkeit der Distanzüberwindung mittels Sprache veränderte die Form der Kommunikation. Man konnte schließlich am Telefon auch im Privaten ins Plaudern geraten, sich im Zwiegespräch austauschen – vorher war dies unvorstellbar gewesen.
Über die Aktualität und Aktualisierung der Themen vermitteln wir kultur-geschichtliche und historische Inhalte an Schülerinnen und Schülern. Denn: Ohne Samuel Morse und seinen Apparat, der Sprache in elektrische Signale umwandelt, keine Erfindung des Telefons; ohne die Kommunikationsrevolution damals, kein Handy heute.

Durch die Verlebendigung der Ursprünge unserer heute alltäglich benutzten Maschinen können wir Schülerinnen und Schüler in ihrer Erfahrungswelt abholen. Das heißt für uns in der Vermittlung aber, dass wir beim Handy und dem Staunen über neue, heutige Erfindungen im Jetzt beginnen – vom Alltäglichen heute gehen wir zurück zu den Anfängen dieses Staunens oder auch zu den Ängsten, die damals beim Aufkommen der bis dato unvorstellbaren Erfahrung, die Stimme eines weit entfernten Menschen hören zu können, herrschten.

Die Ambivalenz von Maschine ist über die Betrachtung der von den Menschen damals gemachten Erfahrungen dann leicht erlebbar. Der Umgang mit der Maschine heute wird durch den Blick auf deren Ursprünge reflektiert. Es wird deutlich: Ohne das Jahrhundert der Erfinder, dem Fortschritt – und dem damit immer verbundenen zeitweiligen Scheitern, würden unsere heute alltäglich und selbstverständlich benutzten technischen Apparate nicht zur Verfügung stehen. Und: damalige Hoffnungen und Ängste haben nichts an Aktualität eingebüßt.

Die Ambivalenz von Maschine ist über die Betrachtung der von den Menschen damals gemachten Erfahrungen dann leicht erlebbar. Der Umgang mit der Maschine heute wird durch den Blick auf deren Ursprünge reflektiert. Es wird deutlich: Ohne das Jahrhundert der Erfinder, dem technischen Fortschritt – und dem damit immer verbundenen zeitweiligen Scheitern – würden unsere heute alltäglich und selbstverständlich benutzten technischen Apparate nicht zur Verfügung stehen. Und: damalige Hoffnungen und Ängste haben nichts an Aktualität eingebüßt.
Die großen Namen der europäischen Karikatur des 19. Jahrhunderts – George Cruikshank, William Heath, Grandville, Honoré Daumier, Albert Robida, Heinrich Kley und andere mehr –  führen den Besucher in TECHNISCHE PARADIESE und zeigen den Umgang der Menschen im 19. Jahrhundert  mit dem Neuankömmling industrielle Maschine.

Neben über 200 Einzelblättern und zahlreichen Magazinen aus bedeutenden privaten und öffentlichen Sammlungen, sind historische Technikobjekte, etwa eines der ersten Automobile aus Holz, zu sehen. Der Millot (um 1890) bildet den bis dato unvorstellbaren Beginn der Ersetzung der pferdegezogenen Kutsche durch den selbstbewegenden Wagen.
Mit der Gruppierung von historischen Maschinen und Karikaturen werden die ambivalenten Emotionen der Menschen damals für Besucher anschaulich erfahrbar. Die physische Präsenz  u.a. einer Bohrmaschine mit Transmission verlebendigt das Animalische oder Halbmenschliche der Maschinen.

Der für den Menschen damals unsichere Umgang mit den neuen Techniken äußerte sich in der Einordnung der Maschine als Tier oder halbmenschliche Automaten. Maschinen erhielten in der Umsetzung in Grafiken ein menschliches oder tierisches Antlitz, oder auch animalische Gliedmaßen. Die Zeichner schufen Dampfrösser, Benzinhengste und gefräßige Eisenbahnraupen und transportierten damit die Reaktionen ihrer Zeitgenossen.

Die Ausstellung verdeutlicht: Die Maschine bleibt ambivalent. Ihre Benutzung, Folgen und Nebeneffekte werfen auch für uns Fragen auf, sind gleichzeitig Anlass für Euphorie und Ängste.

Miriam Elburn
Museum LA8
Lichtentaler Allee 8
76530 Baden-Baden

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