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Kunstgeschichte international

Michael Scholz-Hänsel beklagt sich in einer demnächst in den sehepunkten/ kunstform erscheinenden Rezension darüber, dass in der Publikation "The Spanish Presence in Sixteenth-Century Italy" vielfältige Projekte der Carl-Justi-Gesellschaft gar nicht beachtet werden, obwohl dort Themen auftauchen, die inhaltlich einschlägig sind. Diese Klage scheint mir nachvollziehbar und berührt ein doppeltes Problem: Erstens kann man sich auf den Kopf stellen, deutsch als Wissenschaftssprache ist out und wird nur noch in sehr speziellen Fällen zur Kenntnis genommen. Also z.B. dann, wenn es um deutsche Kunst geht. Nun könnte einem das egal sein, aber angesichts der an Einfluss gewinnenden Bibliometrie ist sehr die Frage, ob wir uns das leisten können. Und zweitens ist vor allem in den romanischen Ländern die Kunstgeschichte weiterhin eine nationale Angelegenheit. Über die jeweilige nationale Kunstgeschichte haben gefälligst Angehörige desselben Kulturkreises zu schreiben, anderes wird meist gar nicht zur Kenntnis genommen. Bei den Amerikanern ist die Sache noch ein wenig anders gelagert – und schließt an die Sprachenproblematik an. Alles, was nicht auf englisch erscheint, ist tendenziell schon einmal per se skurril und vernachlässigenswert. Damit lässt sich auch der eigene Fremdsprachenmangel locker verbergen. Die Konsequenz? Dem Nachwuchs würde ich empfehlen, mehr auf Englisch zu veröffentlichen – auch wenn das jetzt als Opportunismus durchgeht. Ältere Fachgenossen dürfen weiter davon träumen, dass ihr auf Deutsch veröffentlichter Beitrag zu einer Reniassance von Deutsch als Wissenschaftssprache beitragen kann. Aber vielleicht ändern sich die Dinge mittelfristig sowieso radikal: Die automatische Übersetzung könnte dazu führen, dass jeder in seiner eigenen Sprache schreibt und Leser/in es dann in der ihm/ ihr eigenen Sprache konsumiert. Auch wenn diese Übersetzungen vielleicht nie den Geist des Originals transportieren, wäre das doch immerhin besser als nichts.

6 Kommentar(e)

  • Stefan Bartilla
    10.04.2016 18:04

    In den meisten Ländern ist die Kunstgeschichte noch eine nationale Veranstaltung und ausländische Beiträge werden oft ignoriert, wegen fehlender Sprachkenntnis, Schwierigkeiten bei der Literaturbeschaffung, Bequemlichkeit oder schlichter Ignoranz. Da kann sich die deutsche Kunstgeschichte natürlich auch an die eigene Nase fassen. Auf den Slavica im Zentralinstitut für Kunstgeschichte sollen dicke Staubschichten liegen.

    So einfach ist es mit dem Übersetzen übrigens nicht. Beim schlechten Übersetzen geht eben nicht nur öfters der „Geist“ verloren, sondern oft auch der Sinn. Die automatischen Übersetzungsprogramme werden kaum mit kunsthistorischen Texten gefüttert und werden sich somit auch nicht wesentlich auf diesem Gebiet verbessern. Zum Übersetzen braucht es spezifisches Fachwissen, auf das Programme oder Algorithmen bislang nicht oder kaum zurückgreifen können, weil dieses Wissen eben kaum im Internet vertreten ist.

  • Dr. Klaus Graf
    04.04.2016 19:17
    Meine Stellungnahme

    findet sich unter https://archivalia.hypotheses.org/55675

  • Bickmann
    04.04.2016 16:50
    Englisch ja, aber richtig recherchieren!

    Zumindest englische Zusammenfassungen würden helfen. Dennoch kann man voraussetzen, dass umfassend recherchiert wird. Einen Forschungsbeitrag zu ignorieren, ist eindeutig ein Fehler des Recherchierenden.
    Und wenn die Sprache nicht geläufig ist, muss man sich eben jemanden suchen, der sie spricht, oder den/die Autor/in direkt kontaktieren. Das ist ja heute leicht zu bewerkstelligen.
    Davon abgesehen kann ich Autoren nur raten, bei miserablem Vertrieb des Verlags die Publikationen selbst an die wichtigen Nationalbibliotheken zu schicken.

  • Bleistifterin
    04.04.2016 14:12
    nicht so einfach...

    ...die Empfehlung umzusetzen.
    Ich habe bspw. meine Dissertation auf Englisch verfasst, weil das zur transdisziplinären Methode und zum internationalen Thema passte. Eine Publikationsförderung der VG Wort erhalten aber ausschließlich deutschsprachige Dissertationen - unabhängig von der Note.
    Ich bereue nichts, aber im Ergebnis have ich eben "nur" online auf dem Uni-Server publiziert. Schade um die Arbeit.

    • Hubertus Kohle
      04.04.2016 14:18
      ja ja, die VG Wort

      Aber sind Sie sicher, dass die VG Wort wg. Englisch und nicht wg. online nicht bezahlt? Im übrigen würde ich (als Anhänger von Open Access) unbedingt zusehen, dass bei der Online-Veröffentlichung eine Hybrid-Komponente dabei ist, dass man also auch eine gedruckte Version des Buches bestellen kann

  • Ute Verstegen
    04.04.2016 13:54

    Diese Beobachtungen kann ich auch aus meinen Arbeitsbereichen auf ganzer Linie bestätigen und nur empfehlen, alle Forschungsergebnisse, die man als wirklich wichtig einstuft, (auch) auf Englisch zu publizieren. Was das Arbeiten mit Studierenden anbelangt, sind die anzutreffenden Englischkenntnisse erstaunlicherweise höchst unterschiedlich. Die meisten haben keine Probleme mit englischsprachiger Sekundärliteratur, dennoch wird in der Regel erwartet, dass gundlegende Informationen auf Deutsch greifbar sind (was in kleinen Fächern aber eben nicht immer zutrifft). Eindeutig auf dem Rückzug sind Französischkenntnisse. Da ist es teilweise fast nicht möglich, ReferentInnen für Themen zu finden, die sich nur auf französische Literatur stützen. Aber auch mit Auto-Translation habe ich im Seminar im Gegenzug schon gute Erfahrungen gemacht und gar keine so schlechten Darstellungen auf der Basis z. B. russischer Texte oder Iwrit bekommen. Man muss es ausprobieren.

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