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Cranachs Venus verführt Cranach-"Experten"

Sie gilt nicht nur als eines der Glanzstücke der Liechtenstein-Sammlung, sondern ziert auch aktuell die Plakate zur Ausstellung LES COLLECTIONS DU PRINCE DE LIECHTENSTEIN in Aix en Provence, die noch bis 20. März geöffnet ist: die nackende, langbeinige Venus, datiert 1531 und signiert mit dem Werkstattzeichen der Cranachs, der geflügelten Schlange. Geführt wird die erotische Eichentafel im Cranach Digital Archive lucascranach.org/AT_PCLW_GE2497 von Prof. Dr. Gunnar Heydenreich als "Lucas Cranach der Ältere". Die Zuschreibung zitiert einen Verkaufsprospekt der Kunsthandlung Colnaghi. Hieraus wird auch die nicht verifizierte Provenienz "- Privatsammlung, Belgien, seit Mitte des 19. Jahrhunderts" übernommen.  

2013 erwarb Prinz Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein die Tafel für die fürstlichen Sammlungen zum Preis von wohl 7 Mio Euro. Ein durchaus gerechtfertigter Preis für einen guten Cranach, der zuvor von den führenden Cranach-Experten als echt begutachtet worden war, obwohl sich weder Sotheby's noch Christie's im Vorfeld für die Tafel erwärmen konnten. Immerhin wurde Titanweiß in der Malschicht nachgewiesen. Durchlaucht durfte sich dennoch auf die einhellige Meinung der konsultierten Experten verlassen, wie es auf dem Kunstmarkt traditionell üblich ist. So weit, so gut!

Nun wurde das Glanzstück der Ausstellung aber von der französischen Polizei nach einem anonymen Hinweis beschlagnahmt, um von Experten dessen Echtheit überprüfen zu lassen. Hier beißt sich die schwarze Katze in den Schwanz...

Und derweil sitzt der Fälscher Christian Goller (noch) in seiner Untergriesbacher Mühle und weiß nicht, ob er über die Cranach-Experten lachen soll oder lieber weinen, weil der Lokal-Fälscherskandal nunmehr internationale Dimensionen erreicht, -und das unmittelbar vor seinem Prozess. Dumm gelaufen, für Fälscher und Experten. Einziger Trost: Es gibt nun Goller auch als App: expo-liechtenstein.com/en/visitor-information/iphoneipad-android-app

4 Kommentar(e)

  • Marina Schuster, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
    10.03.2016 16:37
    Dokumentation / Quelle / Zuschreibung / ausstehende Untersuchung

    Das Team des Cranach Digital Archive (www.lucascranach.org) untersuchte in den zurückliegenden Jahren in Kooperation mit zahlreichen Partnerinstitutionen mehr als 1000 Gemälde mit modernen physikalischen Analysemethoden und konnte dabei u.a. einige spätere Kopien und Nachahmungen identifizieren. Das Gründungsmitglied Prof. Dr. Dieter Koepplin empfahl bereits in einem Schreiben vom 8. Februar 2013 eine eingehendere Untersuchung des Gemäldes „Venus“ durch Prof. Dr. Gunnar Heydenreich. Eine entsprechende Untersuchung steht bisher noch aus. Das Cranach Digital Archive dokumentiert daher die vorliegende Zuschreibung und weist die Quelle dieser Angabe eindeutig aus. Auf diese Weise wird transparent wiedergegeben, dass es sich nicht um eine Zuschreibung von Prof. Heydenreich handelt. Bis zu einer Überprüfung aller Angaben wird das Gemälde im cda vorläufig zurückgesetzt.

    • Michael Hofbauer
      10.03.2016 18:36
      So,so!

      Ah, verstehe, dann hat man also die Ergänzungen aus der Zeitung übernommen. Zuerst "Cranach", dann "Imitation", ohne dass dazwischen eine Untersuchung stattfand. Ganz schön empirisch ;-))

  • Michael Hofbauer
    08.03.2016 18:12
    Ist die Artikelseite der Venus bei cda beschlagnahmt worden?

    Seit heute Nachmittag ist der komplette Artikeleintrag der "Forschungsdatenbank Cranach Digital Archive" zur fraglichen Venus nicht mehr einsehbar. Ist das Forschungsprojekt etwa nicht ganz unabhängig und handelt nach dem Willen seiner "Partner"?

  • Michael Hofbauer
    08.03.2016 13:12
    Wenn die bunten Fahnen wehen...

    Die Fähnchen mancher Experten wehen extrem in die Richtung, in die der Wind weht.
    Prof. Dr. Gunnar Heydenreich hat seinen Eintrag (siehe oben) in der Datenbank cda soeben von "Lucas Cranach der Ältere" in "Imitation nach Lucas Cranach der Ältere" geändert oder ändern lassen. Auch die vermeintliche Provenienz hat den Zusatz "nicht geprüft cda" erhalten. Für beide Zuschreibungen werden jedoch nach wie vor keinerlei Argumente geliefert. Der als "Forschungsgeschichte/Diskussion betitelte Prosatext ohne Autor ist zudem fast gänzlich gelöscht. Diese Praxis sollte auch dem Nichtfachmann zu denken geben, der zudem unten zu lesen bekommt: "Keine Untersuchung durch cda".

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