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Prekäre Beschäftigungsverhältnisse an der Uni

Unvermeidbar? nach oben

Zuletzt wird verstärkt die Tatsache bemängelt, dass Akademiker mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Laufbahn lange brauchen, bis sie in einem gesicherten Anstellungsverhältnis arbeiten können - wenn sie dort überhaupt hin gelangen. Schon die Tatsache an sich ist beklagenswert, dass manche bis hinein in ihr fünftes Lebensjahrzehnt brauchen, bevor sie existenzielle Sorgen los sind. Um so schlimmer, dass zu diesem späten Zeitpunkt so gut wie keine Ausweichmöglichkeiten mehr vorhanden sind. Ich frage mich, ob das nicht auch mit der Tatsache zu tun hat, dass über das um sich greifende Drittmittel-(Un)wesen der sowieso schon vorhandene Flaschenhals zwischen Assistentenstelle und Professur noch entschieden enger wird. Ohne hier über genauere Zahlen zu verfügen: An manchen Fakultäten werden Dutzende zu sehr vergleichbaren Themen promoviert (was mit dem Schwerpunkt der großen Drittemittelverbünde zu tun hat), kaum weniger habilitiert, und alle drängen dann auf einen ausgesprochen engen universitären Arbeitsmarkt. Kann das auf die Dauer gut gehen? Wäre es nicht viel sinnvoller, das ganze Drittmittelgeld in klassische Mittelbaustellen zu investieren und in Juniorprofessuren und dann mehr Verstetigungsmöglichkeiten zu schaffen? Klar, das Ganze darf nicht zum Automatismus werden, so dass keinerlei kompetitive Elemente mehr übrig bleiben. Aber die Rückbindung an die Institute hätte auch den Vorteil, dass der Nachwuchs nicht von reinen Forschungsstellen herüberwechselt, sondern dass er die teilweise durchaus komplexen institutionellen Produktionszusammenhänge schon früh kennenlernt. Es wäre interessant zu erfahren, was "der Nachwuchs" hierzu selber denkt.

11 Kommentar(e)

  • Hubertus Kohle
    10.04.2015 11:42
    Interessant

    Ich freue mich, dass hier einmal direkt der Gegenstand meines Vorschlages adressiert wird. Der Darstellung in der FAZ kann ich weitgehend zustimmen. Es ging mir nicht darum, von Professoren abhängige Mitarbeiterstellen zu vermehren. Aber mir wäre wichtig, dass das Leute sind, die nicht auf irgendwelchen monadenartigen Raumstationen arbeiten, um dann irgendwann einmal in einer Universität aufzuschlagen, die ganz andere Dinge von ihnen verlangt als reine Forschungsarbeit zu erledigen. Stattdessen sollten es Personen sein, die den universitären Arbeitsalltag in seiner ganzen Komplexität und Vielfältigkeit von Anfang an kennenlernen. Damit sind wir zugegebenemaßen - und so steht es ja auch in dem Artikel - nahe am angelsächsischen Modell. Da müsste dann aber rein rechnerisch auch klar sein, dass sehr viel weniger Leute träumen können, weil sie von Anfang an gar nicht in die Lage kommen, sich entsprechende Hoffnungen zu machen.

  • Georg Schelbert
    10.04.2015 10:50
    Mittelbau abschaffen

    In einem bemerkenswerten Artikel in der FAZ wird eine ganz andere Richtung eingeschlagen: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/hochschulreform-plaedoyer-fuer-die-abschaffung-des-akademischen-mittelbaus-13419289.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2. Dem dort enthaltenen Gedanken, dass das trotz '68 immer noch noch maßgebliche Lehrstuhl(un)wesen ein Grundproblem darstellt, ist zuzustimmen. In einer Zeit, in der Wissenschaftler - bis hin zum Layouten ihrer Publikationen - immer mehr selber machen (können), sind die grundsätzlich auf Zuarbeiten ausgelegten Strukturen in Deutschland überholt. Natürlich kann (und soll) man trotz radikal gewandelter Infrastrukturen nicht alles alleine machen. Größere Forschungsvorhaben müssten dann eben tatsächlich einmal kooperativ angegangen, anstatt überwiegend von den verschiedenen Lehrstuhlabhängigen betrieben zu werden. Da das verfügbare Geld nicht zunehmen wird, kann es nur heißen: Personalausstattungen radikal herunterfahren, Qualifikationsstellen in Graduiertenprogrammen und nicht in Mitarbeiterfunktionen ansiedeln sowie: das gesparte Geld (und am besten natürlich noch mehr) in die Schaffung neuer Professuren stecken. Dann gäbe es mal wirkliche Perspektven für den Nachwuchs.

  • Der lange Weg zur Professur

    http://library.fes.de/pdf-files/studienfoerderung/07788.pdf

  • Anne Fischer
    30.03.2015 12:29
    Förderung wofür

    Ich möchte zur Kurskorrektur nachtragen, dass ich nicht beurteilen kann, wer von denjenigen Anwärtern einer wissenschaftlichen Berufslaufbbahn von Fördermitteln profitieren sollte, um sowohl selbst davon zu profitieren so wie auch für den "institutionalisierten Produktionsmechanismus" ein Gewinn zu sein. Dass die Kommentare sich auf die Versorgungsfrage des Einzelnen konzentrieren, zeigt mir allerdings, dass dies ein Motiv ist, das ich nicht für zielführend halte, das aber doch brennend ist und dies anscheinend umso mehr, je jùnger die Aspiranten sind. Wie Professoren und einzelne damit umgehen, lässt sich nicht reglementieren. Ich denke, dass ein offener Austausch zwischen Professoren und Doktoranden pp das sinngemäße Mittel der Wahl ist und bleibt (s. Oben wochenlange Wartezeiten?!?!). Meine Lebenseinstellung habe ich mit Freiheit beschrieben. Diese erlaubt es auch, sich ggf von Wünschen zu verabschieden und zwar beizeiten.

  • Anne Fischer
    30.03.2015 10:25
    Freiheit

    Ich will auf mein Lieblingsthema der Frau zwischen Karriere und Familie und den jüngsten Artikel "Schrecklich perfekt" (SZ Gesellschaft vom 28./29.3.)Verweisen. Es gibt nach meiner Erfahrung keine existentiellen Sicherheiten - never. Und das ist auch nicht schlimm. - allenfalls im Alter. Altersarmut ist bitter, alles andere kónnen neue Wege und Möglichkeiten zur persönlichen wie beruflichen Weiterbildung sein. Ich bin keine Nachwuchswissenschaftlerin und schätze die Móglichkeit der Promotion, weil Lernen nach Kindern, Küche und Scheidung heute umso mehr Spass macht und weil es entscheidend ist, Möglichkeiten zu haben und Menschen hinter mir, die mir etwas zutrauen. Das ist noch mehr als lifelong learning, Ich wünsche allen jungen Menschen und Erziehern/Pädagogen ein Vertrauen dahingehend, dass das Wunderwort für Sicherheit nicht Abhängigkeit sondern Freiheit heißt. Das ist ein Grundprinzip unserer Staatsordnung und fängt ganz demokratisch bei jedem einzelnen an. Was das bedeutet, erkenne ich auch erst in mittlerem Alter. Was ich meinen Kindern mitgegebe, ist mein Verständnis von Freiheit, indem ich ihnen ihren eigenen Weg und ihre eigenen Erfahrungen zumute und gestatte. Ich bin das backoffice, mehr nicht. Es funktioniert bis hierher für beide Seiten. Vielleicht kann dies für Lehre und Forschung auch gelten. ... Und narürlich darf zwischendrin auch gejammert werden. Und natürlich sitzen in entscheidenden Positionen Opportunisten. Aber die ändern sich nicht durch Kritik und Reformen. Es liegt an mir, wem ich folge, wen ich wähle ...

  • Steinhauer
    27.03.2015 15:44
    Überholtes Versorgungsdenken?!

    Warum ist Wissenschaft zwingend ein Beruf? Ich frage das bewusst provokant, denn die Ansicht, dass eine wissenschaftliche Qualifikation notwendig auch zu einer Versorgungsstelle führen muss, finde ich etwas überholt. Warum? Weil wir heute nicht zuletzt dank der digitalen Möglichkeiten auch außerhalb von Institutionen Wissenschaft und Forschung auf hohem Niveau betreiben können. Das gilt insbesondere für die Ressourcen schonenden Geisteswissenschaften. Jeder kann sich heute mit Social Media eine beachtliche wissenschaftliche Reputation erarbeiten, es sei denn, man investiert seine Zeit lieber in Selbstmitleid ...

    Was spricht dagegen, einem normalen Brotberuf nachzugehen (Lehrer, Verwaltungsjob, u.a.) und daneben gleichwohl sich wissenschaftlich zu betätigen? Gar nichts!!!

    Um hier keine Illusionen aufkommen zu lassen: Ein "normaler Professor" wird durch Prüfungen und Bürokratie so in Beschlag genommen, dass der Unterschied zwischen einem "Hobby-Wissenschaftler" und einem "Berufswissenschaftler" nur noch ein sehr gradueller ist. Die normale Professur ist im Grunde sehr unspannend und bei Licht besehen eher eine Arbeitserschwernis für Leute, die echt wissenschaftlich interessiert sind.

    Übrigens: Die Promotion ist keine Berufsausbildung, sondern weist einen Menschen als Mitglied der akademischen Welt aus. Es wäre sehr schön, wenn man diese Tradition auch dahingehend wieder verstehen würde, dass die Promotionsschrift nicht mehr das Ende der wissenschaftlichen Karriere markiert, wenn es bspw. mit einer Beschäftigung im Wissenschaftssystem nicht klappt, sondern den Anfang einer lebenslangen wissenschaftlichen Biographie.

    Wissenschaft ist eine Lebensform und keine Laufbahn. Wer damit Probleme hat, sollte die Finger davon lassen. Alles andere ergibt sich.

  • MA

    Es geht mir nicht um eine "engmaschige Promotionsbetreuung", sondern um Interesse. Wie kann es sein, dass man bei Professoren wochenlang um Gutachten, Sprechstundentermine etc. betteln muss?

    Aber wir reden sowieso aneinander vorbei...

  • MA

    Es geht mir nicht um den Arbeitsmarkt, sondern um die Finanzierung der Promotion. Und nein, man kann nicht abschätzen, recherchieren etc. wie schwierig, unangenehm usw. die Promotionsphase ist und wie viel tatsächlich von einem engagierten Betreuer abhängt.

    • Landes
      27.03.2015 15:07
      Doch,

      bei Ihnen ging es eben neben der Promotionsfinanzierung auch um den Arbeitsmarkt: "Was hat man einem potentiellen Arbeitgeber später an Fähigkeiten anzubieten?". Und: doch, die Schwierigkeiten, die mit der Promotion auf einen zukommen, lassen sich kalkulieren. Es lässt sich mit Kollegen reden, die im Curriculum weiter sind, es lassen sich inzwischen auch zahlreiche Promotionsblogs verfolgen, und, und, und. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Wer ohne einen "engagierten Betreuer" im Regen steht, sollt sich das mit der Promotion noch einmal überlegen. So, wie das Wissenschaftssystem derzeit strukturiert ist, kann man eine engmaschige Promotionsbetreuung von keinem geisteswissenschaftlichen Professor erwarten. Aber da sind wir schnell bei politischen Forderungen.
      Ich klinke mich hier wieder aus.

  • Landes
    27.03.2015 14:28
    Ein wenig

    ... stört mich aber auch die im letzten Kommentar zum Ausdruck kommende Anspruchshaltung. Von einem Promovierenden darf man m.E. erwarten können, dass er sich einen fundierten Überblick über den ihn erwartenden Arbeitsmarkt verschafft (der natürlich auch außerhalb der Universität besteht). Dass er sich informiert, in welche Berufszweige er nur mit dem angesprochenen Volontariat Eingang findet, und welche Möglichkeiten es sonst noch gibt. Ja, auch letztere gibt es. Aber die müssen selbstverständlich vorbereitet werden, ja, auch neben der Promotion. Weil niemand auf einen promovierten Kunsthistoriker wartet. Ja, das kann anstrengend sein. Und ja, all das glaube ich, von einem Doktoranden erwarten zu können.
    Wenn dann noch der Doktorvater frühzeitig aufklärt, was er für einen tun können wird, wie oben gefordert, ist die Sache perfekt. Aber die Grundlagen für das eigene Fortkommen müssen selbständig gelegt werden.

  • M.A.
    26.03.2015 17:39
    M.A.

    Was natürlich nicht machbar ist, aber sehr sinnvoll wäre: Leute nur promovieren zu lassen, wenn man sie mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle an der Uni versorgen kann. Professoren müssten den Studierenden ganz offen und ehrlich sagen, dass sie sie nicht versorgen können oder wollen (manchmal fehlt aus unerklärlichen Gründen völlig das Interesse an den eigenen Doktoranden). Damit wäre schon einmal ein sehr großes Problem gelöst. Aber nein, da nimmt man einfach jeden an und lässt die Leute so ohne Warnung gegen die Wand rennen. Was soll man denn mit einer Drittmittelstelle (reine Forschung) oder einem kurzen oder langen Stipendium auf Zeit? Was hat man einem potentiellen Arbeitgeber später an Fähigkeiten anzubieten? Keine bis wenige. Und dann, ja dann ist man promoviert und soll noch einmal für zwei Jahre ein Volontariat für wenig Geld machen, wenn man nicht an der Uni bleiben kann oder will?

    Professoren müssten ganz einfach die Karten offen auf den Tisch legen und jeden angehenden Doktoranden, der an ihre Türe klopft darüber aufklären, was auf ihn zukommt. Und nein, man kann hochmotiviert und mit einem Magister in der Tasche und der bisschen Universitätserfahrung (als Student) nicht voraussehen, was alles auf einen zukommt bzw. eben nicht zukommt, wenn der eigene Professor nicht mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle winkt. Denn kann einen der eigene Doktorvater nicht mit einer Stelle versorgen, aus welchen Gründen auch immer, ist es schwer, an anderer Stelle unterzukommen. (Anders ist es natürlich, wenn der eigene Doktorvater zwar keine Stelle anzubieten hat, aber alle Hebel in Bewegung setzt, seine Doktoranden bei den Kollegen unterzubringen.)

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