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Münchner Auktionen: Herbst 2013, Teil 2

HAMPEL-NEUMEISTER-RUEF: Hubertus Kohle hat schon auf das Thema „Kunsthandel und Internet“ aufmerksam gemacht (19.09.2013), und auch die Münchner Auktionshäuser kommen prompt dem Internet entgegen. Bei den Herbstauktionen bei Neumeister haben bis zu acht Damen, bei Hampel bis zu sechzehn Damen telefonisch Angebote der Bieter entgegengenommen. Die Telefon- und Online-Bieter haben in der Regel bereits vorher die Online-Kataloge und Online-Blätterkataloge studiert, die oft zahlreiche Abbildungen der einzelnen Werke enthalten. Den Verkauf ermöglichen nur hochwertige digitale Abbildungen, die dank des global funktionierenden Kunstmarktes zahlreich bereitgestellt werden. Diese bilden eine wahre Fundgrube für den Kunsthistoriker.

Bei Neumeister war es möglich, die Auktionen im Internet „live“, also in Echtzeit (Live-Streaming), zu verfolgen und sogar „live“ mitzubieten. Internetkunden bis Russland haben diese Möglichkeit wahrgenommen. Bei Kunstauktionen sind nicht nur die Bieter im Saal im Spiel, sondern auch die schriftlichen Angebote, die vor der Versteigerung beim Auktionshaus hinterlassen wurden. Dabei sind inzwischen auch finanzkräftige Bieter, die sowohl über das Internet als auch telefonisch mit den Repräsentantinnen des Auktionshaus während des Geschehens agieren. Das gibt der Kunstauktion eine ganz andere Dynamik als vor nur wenigen Jahren und erweitert den Bieterkreis enorm. Eine Kunstauktion in München ist damit längst kein lokales Ereignis mehr.

Die Herbst-Auktionen von HAMPEL Fine Art Auctions in der Münchner Schellingstraße haben am 19. und 20. September stattgefunden. Die „Allgemeine Kunstauktion“ bot ein breites Angebot an qualitätvollen Stücken aus den verschiedensten Fachbereichen, die von Asiatika über Möbel und Skulpturen reichen. Die große, circa 200 Lots umfassende Altmeister-Auktion wurde in einem separaten Spezialkatalog vorgestellt. Unter den Werken, die in der Sektion „Alte Kunst“ zum Verkauf standen, war unter anderem das Gemälde Pietà in weiter Landschaft von Perugino (Nr. 560; Taxe € 600.000-1.000.000). Mit einem Zuschlag für € 500.000 (möglicherweise unter Vorbehalt) erzielte es den Toppreis der Auktion. Ein von Ribera signiertes und 1636 datiertes Altarbild (Nr. 558; Die Wundpflege des Heiligen Sebastian durch die Heilige Irene; Schätzpreis € 350.000 - € 500.000) bleibt bislang ohne Zuschlag (nach der ersten Ergebnisliste).

Unter den Gemälden aus den 16.-18. Jahrhundert gingen viele andere unverkauft zurück. Als Beispiele: Nr. 581, ein großes und qualitätvolles Gemälde aus der Werkstatt des Terbrugghens (Taxe € 160.000-180.000; 175 x 220 cm), angeboten als eine „Szene des alten Testaments“, oder Nr. 592, ein recht schöner „Heiliger Sebastian“ (Taxe € 65.000-75.000), angeboten als „Bologneser Maler des 17. Jahrhunderts“. Anstelle von genauen Bestimmungen von Urhebern und Sujets bieten die üppigen Kataloge von Hampel häufig sehr ausführliche, oft eher belanglose Beschreibungen der Bilder.

Durch die Möglichkeit der Internetauktion gewinnt gleichzeitig die fotografische Abbildung der Objekte an Bedeutung: Dies wird an dem fast drei Meter großen Gemälde aus der Nachfolge von Paolo Veronese (Nr. 638) deutlich, das wegen seiner Größe während der Vorbesichtigung im Lager blieb und damit nicht angesehen werden konnte. Allein die Fotografie danach erschien während der Auktion für wenige Sekunden auf dem Bildschirm des Auktionssaals. Dies war ausreichend für einen schnellen Verkauf. Laut Katalog von „Paolo Veronese und Werkstatt“ mit einem Hinweis auf Giambattista Zelotti (Taxe € 15.000-20.000; versteigert für € 11.000 unter Vorbehalt) zeigt das Bild eine ikonographisch äußerst seltene Darstellung, „Gottvater hält das Kreuz seines Sohnes“ (280 x 189 cm). Das Gemälde ist allerdings rechts unten durch die Aufschrift „HAEREDES PAVLI C. VER. FACIEBANT“ eindeutig als ein Werk der Erben von Veronese bezeichnet. Nach dem Tode des Künstlers im Jahr 1588 führen seine „eredi“, Benedetto, Carletto und Gabriele Caliari, als Geschäftspartner (in società) gemeinsam die Werkstatt als „Heredes [oder ‚Aeredes’ oder ‚Haeredes’] Pauli Caliari Veronensis“ weiter (vgl. Ridolfi; Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 16,  ad vocem ‚Caliari’). Eine Ausstellung zu diesem Thema ist für Verona in Planung.

In der Sektion „Moderne Kunst“ fand die Herbst-Auktion bei Hampel ihren Abschluß. Ein signiertes Selbstporträt von Giorgio de Chirico aus dem Jahr 1951 (Nr. 1349; Taxe € 80.000-120.000) ist ebenfalls bislang ohne Zuschlag geblieben.

 

Bei der NEUMEISTER Auktion ‚Alte Kunst’ (A361; 18.09.2013) in der Münchner Barer Straße lag der Topzuschlag bei einem Gemälde von Philips Wouwerman (1619-1668), Reiter vor dem Marktenderzelt. Mit einem Schätzpreis von € 90.000-120.000 wurde das kleine Bild für nur € 80.000 versteigert.

Unter den Gemälden der 16.-18. Jh. blieben viele unverkauft: von 31 Objekten gingen 21 zurück. Dasselbe gilt für Werke des 19. und 20. Jahrhunderts: von 110 Gemälden blieben 37 unverkauft; 5 waren unter Vorbehalt ersteigert. Obwohl zwei Ölgemälde (Nr. 538-539) des Münchner Malers Eduard von Grütner (1846-1925) für weit über die Schätzpreisen versteigert wurden, blieben viele andere qualitätvolle Bilder aus der selben Zeit bei Neumeister (häufig um die € 1.000 oder sogar unter taxiert).

Andere Werke wurden überraschend stark von den Bietern bei der Auktion bestritten und weit über die Schätzpreise verkauft. In zwei Fällen kann man sich fragen, ob es sich möglicherweise um eine Marktwende oder einen Geschmackswandel handelt: Nr. 608, Ferdinand Wagner (1847-1927), Kinder und Amoretten am Teichufer (4 Gemälde in einem; Schätzpreis: € 8.000-12.000; verkauft für €14.000) und Nr. 613, 614 und 615, drei Gemälde von Anton von Werner (1843-1815) aus dem Zyklus Ein römischer Tag. Die Schätzpreisen um die €2.000 bis € 3.000 sind bis auf € 9.500 gesprungen.

Als einen von ihren Schwerpunkten hat Neumeister auf Sonderauktionen gesetzt: die Veräußerung von monothematischen Nachlässen sowie Privat- und Firmensammlungen. Am Ende der Auktion 316 kamen in solch einer Sonderauktion zahlreiche Architekturzeichnungen aus dem künstlerischen Nachlass des Architekten und Bauingenieurs Franz Jacob Kreuter (1813-1889) zum Verkauf. Angeboten waren nicht nur Entwürfe für Bauten, sondern auch viele sehr schönen Zeichnungen aus Studienreisen nach Italien und Sizilien. Mit nur 15 Bietern und Zuschauern im Saal war diese Auktion maßgeblich auf die Telefonanbieter angewiesen. Die „Mappenwerke aus dem Nachlass“ am Ende der Auktion (Nr. 1037- 1048) konnten mit einer Ausnahme alle verkauft werden, meistens mit Preisen, die stark an den Schätzpreisen orientiert waren. Von den anderen Losen (1000-1036: Zeichnungen und Aquarelle) haben sich nur etwa 20 ohne Vorbehalt behauptet, wieder mit Preisen um die Richtwerte. Ein Konvolut mit etwa 20 Zeichnungen – Pläne und Entwürfe für die Restaurierung des Palazzo Grassi in Venedig um 1857 und später – erreicht den oberen Schätzpreis von € 12.000.

 

Die Auktion beim Auktionshaus RUEF in der Münchner Gabelsbergerstraße am Montag, 23.09.2013, Alte Meister und Kunst des 19. Jahrhunderts, hat ebenfalls interessante und qualitätvolle Angebote. Unter den Gemälden aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind viele Lose mit geringer Taxe. Das Angebot solche Bilder, darunter viele von sehr guter Qualität, auf dem Markt ist sehr sehr groß und übersteigt die Nachfrage um ein Vielfaches. Das Ölgemälde Beim Antiquitätenhändler von Adolf Lüben (1837-1905; 94 x 120 cm) zeigt zwei Münchner Maler (links mit gelber Weste Anton Seitz, rechts daneben Franz von Defregger), die sich vom Ladeninhaber ein gotisches Tafelbild zeigen lassen (Taxe € 3.500).

München, den 23.09.2013
 

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