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Objektdatenbanken - "Museen, nehmt Euch das Netz"

In der Museumsliste museums-themen wird zur Zeit wieder leidenschaftlich diskutiert, wie ausfühlich und vor allem vollständig eine Museumsdokumentation sein dürfen, bevor sie ins Netz gesetzt wird. Ich will hier natürlich nicht verhehlen, dass ich ein starker Vertreter der Meinung bin, schnell hochauflösende Bilder mit - manchmal auch - rudimentären Metadaten ins Netz zu setzen, und dann zusammen mit den Nutzern Fehler zu beseitigen und Inhalte zu ergänzen.

 

Warum?

Von den Museen kann ich erwarten, dass sie ein gutes – gerne hervorragendes – Bild von den Objekten machen. Wir können aber nicht erwarten, dass Museen eine vollständige Dokumentation leisten. Nicht wenige Museen haben mit Präsenzsammlung und Depot mehrere 1.000, z.T. weit über 50.000 Einzelobjekte. Die alle zu fotografieren wäre schon eine Leistung, die aber auch noch ausgiebig zu dokumentieren nicht. Das ist auch nicht nur ein finanzielles Problem.

Hinzu kommt das Projekte wie http://www.artigo.org/ nachgewiesen haben, dass die Crowd spielerisch schneller und mehr sinnvolle Metainformationen zur Beschreibung von Bildern leisten kann, also die Dokumentare in den Museen, deren Begriffe und Vokabular zumeist auch noch aus alten - mittlerweile historisch zu nennenden - Thesauri gespeist werden wie Iconclass, die an einigen Stellen wenig mit unserer Sprache heute zu tun haben.

Damit ich hier nicht gleich falsch vertanden werde: Eine ordentliche Dokumentation und Einbindung von Thesauri ist wichtig und gut, aber nicht das Ende der Fahnenstange. Das Ziel einer Dokumentation ist doch die Erschließung und – für Objektdatenbanken - die Recherchierbarkeit von Objekten. Hier sind Crowd und Suchmachinenoptimierung nicht nur hilfreich, sondern auch einfach besser.

 

Ich weiß, dass ich hier als Kunsthistoriker an dem Selbstwertgefühl der eigenen Zunft kratze. Es geht aber ganz pragmatisch darum, dass ich es wünschenswert finde und es auch der primäre Auftrag von öffentlichen Sammlungen ist, das kulturelle Erbe allen zugänglich zu machen.

Dokumentare und Kuratoren haben hier eine sehr wichtige Funktion: Das Objekt aus seiner Verborgenheit zu heben. Dazu gehört ein Bild und die rudimentären, zu dieser Zeit bekannten Metadaten. Ab dann gilt es die Objekte zugänglich zu machen und Interessierte, WissenschaftlerInnen und alle Freunde und Freundinnen der Kunst und Kultur wie Ameisen an die Kunstwerke zu lassen, um sie gemeinsam zu erforschen und die Metadaten schrittweise anzureichern und zu verbessern.

 

Kurz gesagt:

Der Dokumentar und Kurator hat damit die Aufgabe das Objekt überhaupt sichtbar zu machen, sie sind sozusagen die Schatzsucher, wir alle haben die Aufgabe das Objekt zu interpretieren und zu erschließen und sind die vielen fleißigen Ameisen die begeistert sind von Kunst und Kultur. Ist das nicht ein mögliche und sinnvolle Aufgabenteilung?

Hervorragend, dass es heute doch Datenbanken und Internet gibt. Dann wollen wir die Museen doch alle darin ermutigen ihre Datenbanken öffentlich zu machen und im Sinne von Swantje Karichs Artikel in der FAZ zu fordern „Museen, nehmt euch das Netz!“ (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/zukunft-der-museen-nehmt-euch-das-netz-12073119.html)

6 Kommentar(e)

  • Klaus Graf
    16.05.2013 17:58
    Einverstanden

    http://archiv.twoday.net/stories/404099627/

  • Sabine Scherz
    16.05.2013 14:28
    Vom Endprodukt zum Ausgangspunkt

    Bisher wird ein Exponat als Endprodukt gesehen. Ein Künstler hat es geschaffen, das Museum erworben und dann wird es ausgestellt. Die Besucher schauen es an und das war's dann auch so gut wie. Auf diese Weise wird nur ein Bruchteil der Reflektion, die ein Kunstwerk auslöst, überhaupt erfasst:

    - die Reflektion der wenigen Fachleute ist häufig nur für eine Fachcommunity verständlich und/oder nicht für den normalen Kunstinteressierten zugänglich.
    - die Reflektion der Crowd, die zahlenmäßig der der Fachleute überlegen ist, geht im Moment komplett verloren.

    Da wir im digitalen Zeitalter leben, könnten die so entstandenen Reflektionen, die bisher verloren gegangen sind, gespeichert und sichtbar gemacht werden.

    Warum kann das "Endprodukt Kunst" nicht Ausgangspunkt für neue (kognitive) Verarbeitungs- und Kommunikationsprozesse sein? Ausgangspunkt für "Forschung" durch den Museumsbesucher? Wie spannend wär das?

    Dafür braucht es sicher mehr Personal, dass dann auch die veränderte Rolle des Museums mittragen muss.

  • Kulturgeschnatter
    16.05.2013 10:38
    Das Web 3.0 der Museumslandschaft?

    Eigentlich ist die Idee, eine Verknüpgfung zwischen den Bilddatengebern - also hier den Museen - und den Nutzern dieser Datenbanken - nämlich interessierten Webusern -aufzubauen, absolut zeitgemäß und dementsprechend, um die Formulierung von Herrn Kohle zu nutzen: Je suis d´accord aussi.
    Aber die Frage, inwiefern die Einflussmöglichkeiten der Nutzer, hier als "Metadaten" bezeichnet, zu konzipieren seien, da werden sich wohl die Geister scheiden.
    Vor allem geht damit eine eindeutige Gefahr einher.
    Denn was soll die Digitalisierung der Daten überhaupt? Natürlich, in Zeiten des Internets, in jenen Zeiten, in dem scheinbar die Menschen schnell Daten möchten, und nicht unbedingt immer ins Museum gehen, ist die Digitalisierung, die digitale Begehung eines Museums oder seiner Bestände, eine schöne Möglichkeit, trotzdem im Gespräch zu bleiben, trozdem "besucht" zu werden.
    Doch dann kommt schnell Frage 1: Für wen soll das Material konzipiert werden?
    Soll es für Fachwissenschaftler sein, die dann mit den Bilddaten schnell arbeiten können und so ihre wissenschaftlichen Arbeiten formulieren können? Dann braucht man auch professionelle Daten dazu.
    Soll sich die Information an interessierte "Besucher" richten? Sind dann auch weniger Informationen notwendig?

    Und, eine wohl sehr viel wichtigere Frage: Welche Funktion soll die Abgabe der Anhäufung an Zusatzinformationen an die Crowd haben? Doch nicht, dass schneller zuverlässige Informationen gereicht werden. Sondern, das liegt auf der Hand, aus dem Grund die Position des eigentlichen Informationseinspielers einzusparen, oder? Wobei dies nicht möglich ist, muss doch wiederum jemand da sein, der die Informationsflut, die auf der Grundlage solcher Konzepte eingeht, zu sichten, zu ordnen, und unnötiges auszusondern...was, wie Erfahrungen aus der eLearning und Social Media Szene gezeigt haben, de Facto zwei Kunsthistorikerstellen benötigt, wo früher eine ausreichte...

    (kulturgeschnatter.blogspot.com)

  • Sabine Scherz
    16.05.2013 09:12
    Weitergedacht

    Warum sollte die Crowd ausschließlich die Metadaten besteuern? Warum könnte sie nicht auch die Fotos liefern? Dass die Qualität nicht so hoch sein wird, wie bei einem Bild des Museums, dürfte klar sein. Aber wer weiß? Und solange die Museen keine Aufnahmen von allen Exponaten haben, solange ist ein mittelmäßiges Foto dennoch ein gutes Foto.

    Es muss ja zu jedem Exponat nicht nur ein Bild geben .... es könnte Fotowettbewerbe geben ... na, da wär plötzlich was los!

  • Hubertus Kohle
    16.05.2013 07:44
    Einverstanden

    Artigo sollte man in der Tat nicht als Alternative zur professionellen Doukmentation sehen, sondern als Ergänzung. Ansonsten völlig d'accord. Vorbildlich finde ich da immer wieder das Brooklyn Museum. Da wird der Vollständigkeitsgrad eines Datenblattes offensiv mit angegeben und der Besucher um Mitarbeit gebeten, wenn er etwas weiß. Vgl. z.B. http://www.brooklynmuseum.org/opencollection/objects/4733/The_Wave_La_Vague/set/9e848a39f4db7a4053936920beb817d1?referring-q=courbet. Da steht noch mehr Interessantes. Etwa: No known copyright restrictions. Das sollten europäische Museen sich auch mal zu Herzen nehmen, die ansonsten immer wieder dazu neigen, irgendwelche copyrights zu beanspruchen, die sie gar nicht haben. Klaus Graf und andere nennen das dann copyfraud

    • Alexandra Büttner
      16.05.2013 11:00
      Your Paintings

      Ein weiteres vorbildliches Projekt ist "Your Paintings" der BBC (http://www.bbc.co.uk/arts/yourpaintings/) mit ihrer Aktion "Help us to tag the nation's paintings" (http://tagger.thepcf.org.uk/).

      Mehr hierzu auch unter: http://www.bbc.co.uk/blogs/internet/posts/Your-Paintings-Searching

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