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Von der Kunst, Kunst zu besitzen

Caleb Larsen und sein "A Tool to Deceive and Slaughter": nicht gerade neu ist es. Er baute diesen schwarzen Kubus im Jahr 2009 als Abschlussarbeit. Der 1979 in Michigan geborene Künstler lebt derzeit mit seiner Frau und seinem Baby Abel Wilder in einer Hütte, die sie aufgrund der Lage "Bootjack Cabin" genannt haben. Hütte - das hört sich ärmlich an. Es ist doch eher ein recht modernes Gebilde, handmade, aber eben weit auf dem Land in Michigan, Upper Peninsula, Bootjack Road. Das ganze ist so etwas wie ein Selbstversuch, der per Blog dokumentiert wird. Und diese Einträge erzählen von Fehlschlägen und Triumphen, und sie demonstrieren ein Künstler_innen-Paar, das es auf denkwürdige Weise geschafft hat ein Werk zu schaffen, dass ein Lebenskunstwerk sein kann.

Schwarz mit Kabel

Doch davon soll an dieser Stelle eigentlich nicht die Rede sein. Aber der Hintergrund ist hilfreich, um die Tragweite zu ermessen, die in Larsens Master-Arbeit an der Rhode Island School of Design angelegt ist.  Da sieht man erst einmal einen schwarzen Acryl-Würfel mit 20,32 Zentimetern Seitenlänge. Glatt poliert, glänzend steht er auf dem Sockel. Ist das etwa Konkrete Kunst? Nicht wirklich. Denn die Rückseite offenbart: Es handelt sich um eine Gerätschaft, denn ansonsten sähe man da bestimmt kein Netzwerkkabel.

Absurder Zweck

Die Arbeit ist ein verrücktes, aktualisiertes Zitat der Arbeit "Box with the sound of its own making" von Robert Morris aus dem Jahr 1961. Jene historische Kiste aus Holz birgt einen Abspielgerät, dass die Geräusche wiedergibt, die beim Bauen des Würfels ertönten, also das Sägen und Hämmern. Bei Larsen ist das anders. Seine Maschine nimmt, einmal am Internet hängend, umgehend Kontakt mit dem Auktionshaus ebay auf und preist sich selbst als Kunstobjekt an. Sein Zweck ist es, ersteigert zu werden. Allerdings sollte man vorher den Text auf der "Produktseite" lesen, den der Künstler in Zusammenarbeit mit einer Anwältin verfasst hat, sonst wird man vielleicht enttäuscht sein, wenn man den Zuschlag erhalten hat. Denn das Werk gehört dem erfolgreichen Ersteigerer niemals wirklich.

Verbindungsprobleme

Ausgangspunkt für diese Netzkunstplastik war die Frage, wie man Geld mit seiner künstlerischen Arbeit macht. Und so lernte er von Warhol und all den anderen, die sich mit dem Markt auseinander gesetzt haben. Mit dem Ergebnis dieser, sich selbst wieder und wieder anbietenden Arbeit. Alle zehn Minuten schaut das Gerät, ob eine Auktion von sich selbst läuft. Wenn nicht, erzeugt es automatisch eine. Es sei denn, Komplikationen treten auf. In der Ausstellung "Yes, we're open", der letzten des Nederlands Instituut voor Mediakunst (NiMK) etwa: "Wir kämpfen mit Verbindungsproblemen", schilderte Caleb Larsen. Und verweist auf ein generelles Problem der Netzkunst: keine Connection, keine Kunst. Das ist schlimmer, als schalte man dem Besucher einer Ausstellung mit Ölbildern das Licht aus.

Keine Bereicherung möglich

Wem aber gehört das Tool am Ende einer gelungenen Auktion? Im besten Fall funktioniert es wie ein Wanderpokal. Wer den Zuschlag bekommt, dem wird der glänzende Würfel zugeschickt. Bedingung: Der Besitzer muss einen Online-Zugang zur Verfügung stellen. Der nächste Matchwinner bekommt dann wieder den schwarzen Fetisch. Das Geld geht an den Künstler. Und ganz nebenbei hebelt Larsen auch noch den klassischen Kunst-Verwertungszyklus aus den Angeln, denn der Sammler hat im Prinzip nichts davon. "Zur Zeit 'besitzt' die Arbeit zwei Privatsammler. Einer ist sehr generös und leiht sie an Ausstellungen aus", beschreibt Caleb Larsen. Es ist keine Bereicherung der eigenen Sammlung, wenn das Gerät wieder auf Wanderschaft ist. Kein Wertzuwachs folgt daraus. Das einzige, womit man sich rühmen kann, ist die Tatsache, dieses "Werkzeug der Täuschung und Metzelei", einmal besessen zu haben, ohne dass es Eigentum wurde.

Vanitas heute

Eigentlich ist die Arbeit damit so etwas wie der Prototyp eines Vanitas-Stilllebens für das 21. Jahrhundert. Aller Gewinn ist flüchtig, aller Wert gleichermaßen. Es bleiben Erinnerungen, aber keine Materie. Was anderes war es denn, als 2008 die Börse taumelte und die amerikanischen Eigenheim-Bauer plötzlich ihre Kredite nicht mehr abzahlen konnten? Fort und vorbei. Alles war und ist eitel. In der Kunst und vielleicht ganz besonders in dieser Netzkunst wird uns das auf ganz zeitgenössische Art und Weise bewusst.

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