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Sammelbände

... und was Wolfgang Kemp dazu sagt nach oben

Mit dem ihm eigenen Scharfsinn hat Wolfgang Kemp vor einigen Jahren den Publikationstypus "Sammelband" aufs Korn genommen und damit eine Buchform, in dem ein großer Teil der heutigen Wissenschaftler/innen regelmäßig, wenn nicht prioritär veröffentlicht. (Merkur, 11/2009, online hier) Er führt diesen Typus historisch auf die Gruppenideologie der 68er zurück und weist ihn als eine Form aus, die weniger als heroische Einzelleistung denn als Gemeinschaftsunternehmen daherkommt. Genüsslich und mit einem Hang zum Zynismus die Nachteile des Sammelbandes zu beschreiben: diese Gelegenheit lässt sich Kemp - wer ihn kennt, erwartet es nicht anders - natürlich nicht entgehen. Denn da das Gemeinschaftliche der Unternehmung eigentlich mehr Organisationsform des Sammelbandes ist und weniger die Substanz betrifft, bemängelt er die innere Disparität, die meistens schludrige Redaktion und die schlechte Wiederauffindbarkeit, daneben vor allem die Tatsache, dass hier jedes peer reviewing umgangen wird. Ich füge hinzu: Welche Bibliothek soll so etwas kaufen, wenn von 12 Beiträgen jeweils vielleicht 2 oder 3 aus dem Gebiet stammen, für das sich diese Bibliothek zuständig erklärt? Aber manch eine/r wird auch mit einem gewissen Recht vermuten, dass diese Sammelbände sowieso eher für die Publikationslisten der Herausgeber/innen und Autor/innen gedacht sind, als dass sie wirklich gekauft und gelesen werden sollen. Kemps Text ist von 2009, hätte er ihn 2012 geschrieben, dann wäre er vielleicht doch darauf gekommen, dass manche dieser Nachteile mit dem Internet als radikal neuer Publikationsumgebung zu vermeiden wären. Disparität ist dort kein Problem, wo sie zum Wesen des Mediums gehört. Außerdem kauft man dann eben nur die Aufsätze, die einen interessieren oder besser werden diese gleich in open access angeboten. Die Suchbarkeit im Internet ist sowieso unübertroffen und wird von den gepflegtesten gedruckten Bibliographien nicht erreicht. Und zu guter letzt: Da es um das eigentliche peer reviewing in den klassischen Zeitschriften sicherlich auch nicht so rosig stand, wie Kemp es suggeriert, und da hier doch nach allem, was man weiß, häufig ein Großkopferter dem anderen Großkopferten carte blanche gegeben hat (denn double blind scheint mir speziell in der Kunstgeschichte nie sehr verbreitet gewesen zu sein, ich lasse mich aber gerne belehren, wenn es doch anders war), plädiere ich eher für ein empirisch fundiertes, zweifellos noch nicht ausgereiftes, aber zukunftsträchtiges Konzept des nachgelagerten peer reviewing einschl. dazugehöriger Nutzungsstatistiken, wie wir es in Kunstgeschichte open peer reviewed journal praktizieren.

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