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Für lau der Presse zuarbeiten?

Immer häufiger erlebe ich Folgendes: Kaum dass ich bei einer Einführungsrede zu einer Ausstellungseröffnung mein letztes Wort gesprochen habe, schon steht ein Journalist neben mir und macht Anstalten, mir die Blätter mit meinem Redetext direkt aus der Hand nehmen. Ob er wohl meine Rede haben könne? Meine Ablehnung trifft meist auf völlige Überraschung. Die Argumentation, dass der Text dazu überarbeitet werden müsse und zum Teil nur stichwortartig vorliege, wird nicht akzeptiert. Ja, ob ich nicht dann heute Abend den Text per E-Mail schicken könnte?

Nun, ich begreife ja, dass die kleineren Zeitungen sparen wollen und die Pressevertreter der Regionalberichterstattung nun oft mehrere Jobs und Themengebiete gleichzeitig bearbeiten müssen. Da mutiert dann gerne der Fotograf zum Kulturjournalisten. Überdies ist die Bezahlung schlecht, und sie müssen sehen, dass sie möglichst in kurzer Zeit einen Bericht verfassen, um auf einen halbwegs angemessenen Stundensatz zu kommen.

Freilich habe ich Verständnis für diese Zwangslage, besonders wenn der Veranstalter nicht in der Lage war, vorab umfassende Presseinformationen vorzulegen. Aber müsste man nicht eigentlich von einem professionellen Journalisten erwarten können, dass er mitschreibt? Und warum befragt er nicht die anwesenden Künstler? Wenn man der Quelle so nah ist, sollte man diese doch konsultieren!

Eine Einführungsrede zu einer Ausstellung wird ja in der Regel vergleichsweise schlecht bezahlt (wenn man sich nicht mit einem Direktoren- oder Professorentitel schmücken kann). Das Honorar jedenfalls rechtfertigt meistens bei weitem nicht den zeitlichen Aufwand, den man in Form von Bibliotheks-, Ausstellungs- und Atelierbesuchen betreibt.

Lässt man sich dann breitschlagen, investiert vielleicht noch Zeit für die Überarbeitung und reicht den Text weiter, helfen im schlimmsten Fall auch nicht die Hinweise auf das Copyright, es wird hemmungslos aus der Rede abgeschrieben, ohne Zitate als solche kenntlich zu machen. Alles schon erlebt! Daher weigere ich mich nun standhaft, es sei denn, es war mit dem Veranstalter verabredet und dann muss sich das auch im Honorar niederschlagen.

4 Kommentar(e)

  • yono
    10.08.2012 10:23
    Lösungsvorschläge

    Liebe Frau Bickmann,

    zu Ihrem geschilderten Problem zwei weite Lösungsvorschläge:

    Einerseits: nicht stehlen

    aber auch: Freigiebigkeit

    "Sehen Sie's doch einfach mal so" (Zitat: Tiki Küstenmacher)

  • Adrian
    09.08.2012 20:12
    Urheberrechtsverletzungen kann nachgegangen werden

    "es wird hemmungslos aus der Rede abgeschrieben, ohne Zitate als solche kenntlich zu machen."

    Käme dies nicht einer Urheberrechtsverletzung gleich und Sie könnten die Zeitung entsprechend belangen? Dazu müssten Sie wahrscheinlich nur den Nachweis erbringen, dass wörtlich abgeschrieben wurde und dass Sie ihr Manuskript klar erkennbar, nicht zur Veröffentlichung freigegeben haben.

    Ein Urheberrechtler könnte hier sicher weiterhelfen.

    • C.M.
      10.08.2012 09:09
      Ist dieser Weg sinnvoll?

      Klar kann man dagegen klagen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dieser Weg der richtige ist. Meiner Meinung nach sollte man zuerst versuchen alle anderen Wege zu gehen, bevor man sich an einen Juristen wendet. So kann man sich an den Chefredakteuer wenden, eine Beschwerde einreichen oder beim nächsten Treffen mit dem Journalisten reden. Auch Journalistenverbände - darunter in München - sind sehr für die Einhaltung gewisser Spielregeln, da es auch dem Ansehen ihres Berufsethos schadet. Jeder "Schreiberling" sollte sich darüber bewusst sein, dass es wie überall gewisse Spielregeln gibt und die Verletzung dieser Konsequenzen hat. Wie diese aussehen, ist wiederum eine andere Sache. Nicht selten sieht man in Zeitungen eine "Gegendarstellung". Auch die vierte Gewalt im Staat macht Fehler, die Frage lautet nur, wie man damit umgeht und wo die Begriffe "Respekt" und gegenseitige Achtung geblieben sind.

  • C.M.
    08.08.2012 16:32
    Ja und Nein

    Sehr geehrte Frau Bickmann,
    einerseits verstehe ich Ihre Bedenken und gebe zu, dass hier einiges stark vereinfacht wird und nicht mehr viel mit Journalismus zu tun hat. Schließlich muss/ sollte man in einer Vorlesung auch mitschreiben. Ein Diktiergerät würde hier die Sache erleichtern. Andererseits hat dies den Vorteil, dass es so zu keinen Missverständnissen kommt und einer falschen Interpretation des gesagten Wortes. In Ruhe, Abseits der menschlichen Begegnungen die ebenfalls sehr wichtig sind, all das erneut zu reflektieren, ist auch Teil der Arbeit und ein Skript manchmal sehr hilfreich. Und je nachdem für welche Zeitung man arbeitet ist es auch fraglich, in wie weit eine tiefere Reflexion und "objektive" Berichterstattung noch erwünscht sind. Da sollten auch die Leser, Rezipienten mehr fordern. Und bitte nicht nur Akadamiker.

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