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Im Liebighaus: Koons oder Kunst?

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Grinsen in der Kunstgeschichte wird nicht gern gesehen, schließlich sind wir eine ernsthafte Wissenschaft! Man kann es sich jedoch nicht verkneifen, wenn man momentan durchs ehrwürdige Frankfurter Liebieghaus geht, denn: Koons is in da House.

„Jeff Koons demonstriert, dass er von bleibender Kunst nichts versteht, sie nicht wertschätzt und die besinnlichen Heiligenaltäre und filigranen Elfenbeinschnitzereien nicht beerben wird.“, schreibt da Kia Vahland in der SZ und demonstriert, dass sie von fast noch zeitgenössischer Kunst wenig versteht. Insbesondere seine frühen Arbeiten, die unerklärlich im Wasser schwebenden Basketbälle und seine Vitrinen-Staubsauer, haben Generationen von Künstlern seit den frühen 1980ern beeinflusst. Die Young British Artists der 1990er Jahre, insbesondere Damien Hirst, jedoch auch Murakami wären ohne Koons nicht zu denken, so auch Michael Bracewell. Vahland wirft Koons vor, die Liebieg-Sammlung zu verstellen und sich mit ihnen messen zu wollen. Das ist selten der Fall, nur sein Buster Keaton versperrt tatsächlich den Blick auf den berühmten geschnitzten heiligen Abt aus Bayern (etwa 1525). Größtenteils fügen sich Koons Werke perfekt ein. Der genannte schwebende Basketball in durchsichtigem Wasser steht fast bescheiden in einem Raum mit über jeden Zweifel erhabenen Mittelalterkreuzen. Andere ziehen war immer erst alle Blicke aufgrund ihrer schieren Größe und knallbunten Farbigkeit auf sich, laden aber gerade auch ein, sich die Dauerausstellung anzusehen.

Das Ziel der Koons-Schau war auch, die dortigen Angestellten zu stören, die das Haus ja eigentlich für sich allein haben wollen und nun dank Koons plötzlich mit einer Neuerung im Liebieghaus konfrontiert werden: Besucher! Man munkelt, dass einem in Emails, wenn man sich, wie der Autor dieser Zeilen, zunächst für die Mittelaltersammlung angemeldet hat, geraten wird, die Sammlung zu Koons Zeiten doch möglichst zu meiden. Kommen sie nicht in unser Museum! Aber man kommt dennoch und freut sich in jedem Raum auf einen Koons, der entweder meisterhaft geschnitzt, oder völlig makellos gegossen oder aus Glas und Porzellan geformt und bemalt ist und durch Größe, Detailversessenheit und unverschämter Kitsch-Farben und Motive teils heftige Reaktionen hervorruft, etwa sein mehrere Meter hohes Kätzchen in einem Socken, das ganz aus Plastik von der Decke hängt und tatsächlich auch aus Plastik sein will - im Gegensatz zu Koons' Aufblasbronzen, die dies nur hyperrealistisch nachahmen.

Doch auch hier gibt es Ausnahmen, wie eine der neuesten Arbeiten von Koons aus der Hulk-Elvis-Serie (2004-2012). Ähnlich wie bei seinen frühen Werken, etwa die jeden Wassersportler zum Tode bringende bleierne Bronze-Schwimmweste und seine Basketbälle, spielt Koons hier mit dem Gegensatz von Schwere und Leichtigkeit, oder von Kitsch und Kunst. Seine zwei Aufblas-Hulk-Elvise, die eine antik anmutende rießige massive Bronze-Glocke tragen, spielen nicht nur auf Warhols Revolver-Elvis-Siebdruck (1965) an, prominent zitiert etwa von Gavin Turk  als Wachsfigur in "Pop" (1991), sondern lassen den staunenden Betrachter zwischen der vorgeführten bleiernen Schwere der Glocke (samt mächtigem und massivem Holzbalkentragegerüst) und den beiden luftigen und verletzlichen Cartoon-Aufblasfiguren, die sie mühelos tragen, zweifeln.

Wiederholt er sich und stagniert er auch insbesondere in seiner Mittelphase zwischen 1991 und 2004, so bleibt Koons doch inspirierend und kritisch, etwa wenn sein hochglanzpolierter, den Betrachter und alle Exponate im Raum im doppelten Sinne des Worte widerspiegelnder Riesenpopeye auf den gereckten, comic-muskulösen Oberarm einen tätowierten Panzer präsentiert. Kritisiert der Überamerikaner, Ex-Broker und Kapitalismus-Künstler Koons jetzt die amerikanische Außenpolitik?

Auch wenn es den Ewig-Gestrigen und Kunstantiken nicht passt - Koons ist  eine Bereicherung fürs Liebighaus, als Kontrast, als Gegenentwurf jedoch auch als Fortführung von teils unglaublich beeindruckender Handwerkskunst und Detailversessenheit, wie sie aus verschiedenen Jahrhunderten dort eh präsentiert wird, die jetzt jedoch auf zeitgenössische Konsumthemen angewendet und mit Ironie sowie teils hemmungsloser Hinwendung zum Kitsch übergossen wird. Koons ist wahre zeitgenössische Kunst die im Liebieghaus Altes und Neues verbindet.

2 Kommentar(e)

  • Interessant

    Ja, warum nicht?! Nach der ersten Überraschung scheint mir die Gegenüberstellung von Alt und Neu gar nicht so schlecht. , Die alten Skulpturen profitieren sogar von den provokanten neuen Plastiken. Danke für den Beitrag! Der kurze Film auf youtube wäre auch zu empfehlen. http://www.youtube.com/watch?feature=youtu.be&hl=en&v=drbPDArE6qw&gl=US Merci! :)

  • Material

    Schluck! Allein schon vom Material her... "Aufblasbarfiguren"... how awful!

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