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Zwei Kunsthistorikertage

In den nächsten 18 Monaten finden in Deutschland (genauer gesagt: in Franken) zwei Kunsthistorikertage statt: Der nationale in Würzburg und der internationale in Nürnberg. Der nationale firmiert unter dem "Genius Loci" und schlägt folgende Sektionen vor:

 

Früh- und hochmittelalterliche Buchmalerei/ Dekorationssysteme für repräsentative Profanräume im Mittelalter/ Kontexte – Bildformen – Traditionslinien/ Spätmittelalterliche Skulptur: Stilerneuerung und Stiltradition/ Um 1530/ Barocker Schlossbau in Süddeutschland/ Legitimation durch Fiktion. Neue Forschungen zur Kunst der Repräsentation in profanen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit/ Interieur/ Quellenprobleme der Gartenkunstgeschichte/ Zeichnung in Kunst und Wissenschaft. Zwischen Darstellungsmedium und Erkenntnisinstrument/ Architekturzeichnung/ Stadtbaukunst. Zerstörung und Wiederaufbau/ Kunstgeschichte und Bildung

 

Der internationale heißt: "Die Herausforderung des Objets" und umfasst folgende Sektionen:

 

Die Frage des Objekts in der Kunstgeschichte/ Begriff und Theorien des „Originals” als hermeneutisches Problem/ Die Religionen und ihre Objektivierungen in der Kunst aus interkultureller Perspektive/ Das Objekt als SubjektObjekte im Museum: Kunstgeschichte versus Kulturgeschichte/  Weltkulturerbe: Kulturelle Identität und der Krieg gegen Kunstwerke/ Beutekunst: Die Sicht auf die Anderen - Die Sicht der Anderen/ Zur Archäologie des materiellen Objektes: Technologische Bildanalyse versus Kennerschaft/ Objekte auf Reisen: Überlieferungsgeschichten/ Schnittstelle Kunsthandel: Das Objekt im Auge des Marktes/ Das Kunstwerk und seine Repräsentationen/ Jenseits der Aura/ Das multiple Kunstwerk/ Dürers Leben und Werk – Das Objekt als Schlüssel zum Subjekt?/ Ereignisorte/ Das geschlechtsbezogene Objekt/ Fragen an das Objekt/ Die Abwesenheit des Objekts und die Leere/ Restitution/ Architektur als Objekt/ Die Rolle des CIHA in der Kunstgeschichte

 

Es ist unmöglich, die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Sektionen zu beurteilen, da diese im Falle des internationalen Kongresses noch gar nicht klar ist. Aber immerhin lässt sich doch so viel sagen. Erstens scheint die Themenstellung des internationalen Kongresses homogener, da sie sich am Objekt-Begriff orientiert. Dagegen wirkt das Programm des Würzburger Kongresses disparater. Zweitens - und das scheint mir wichtiger - zeigt sich doch auch ein Unterschied in der Zeitgemäßheit: In Würzburg wird das gemacht, was wir immer schon getan haben, beim internationalen Kongress hat man doch immerhin den Eindruck, dass Fragestellungen diskutiert werden, die in hohem Maße up to date scheinen.

 

Ich will hier keineswegs dem Modischen das Wort reden. Eine Kunstgeschichte, die wie im Fall der in Würzbug betriebenen, mindestens so sehr am Objekt als der unhintergehbaren Wirklichkeit des historischen  Kunstgeschehens orientiert ist wie die, in der dies ausdrücklicher Gegenstand ist, verdient uneingeschränkte Unterstützung. Aber wird das Fach überlebensfähig sein, wenn es sich ein wenig bockig auf die Notwendigkeit des immer schon Betriebenen versteift? Ich fürchte nein.

20 Kommentar(e)

  • @Kuhi
    Event-Manager, Pressereferenten ... ich wusste gar nicht, dass der Verband so viele Beschäftigte hat.

  • Na ja! Wenn man sieht, was Kritik hierzulande - Kritik um der Kritik Willen ohne kritisches Denkvermögen und oftmals überzogene (auch Selbst-) Kritik - für einen Kahlschlag bewirken kann, ist es ihnen auch nicht zu verdenken. Trotzdem habe ich es vermisst, dass darüber (auch hier) so wenig gesprochen wurde, fand aber das verhaltene Echo auf kunsthistoriker.org nicht schlecht.

  • Kuhi
    07.11.2011 22:52

    In der Regel ist das bei Veranstaltungen so, daß die Event-Manager die Presse kräftig traktieren und informieren mit Texten, die etwas spannender zu lesen sind als nur wissenschaftlich-verkomplizierte Ankündigungen. Das bedeutet allerdings harte Arbeit und Durchsetzungsvermögen seitens des/der Pressereferenten/in.
    Die Organisatoren dieses Kunsthistorikertages jedoch sind mit den Arbeiten für und mit der Presse nicht vertraut gewesen und hoffnungslos überfordert. Also bekam der Kunsthistorikertag eben gar keine Presse.
    Und die Reportagen der Kunsthistoriker selber? Die meisten verbleiben immer doch noch lieber konventionell in ihrem Elfenbeinturm oder plustern sich dort auf, wo sie sicher sind, keine Kritik zu ernten ...

  • Orkus
    01.04.2011 05:58

    Viel mehr als die Wiederholung des Inhalts der Pressemitteilung auf Französisch ist das aber auch nicht.
    In der Tagespresse kam überhaupt nichts.
    In den Fachpublikationen könnten ja später vielleicht noch Artikel (F.A.Z. Geisteswissenschaften - wow!) erscheinen.
    Es sieht aber ganz nach völligem Versagen der Öffentlichkeitsarbeit für diese Veranstaltung aus.
    Das war wahrscheinlich auch zu konventionell:

    http://www.kunsthistoriker.org/presse.html

    Vgl. die digitale Pressemappe des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels anlässlich der E-Book-GfK-Studie

    Aber gefragt wird hier ja wohl nach persönlicher Reportage von Dabeigewesenen, oder?

  • Ioana Herbert
    31.03.2011 16:29

    Hier! Endlich ein Bericht! Also, der Kunsthistorikertag hat stattgefunden. :)

    http://blog.apahau.org/?p=2152

  • Dabei war alles so vielversprechend (international) angekuendigt worden...

    http://blog.apahau.org/?p=1922

  • artefakt hat getwittert: http://twitter.com/arte_fakt

  • Dieter
    30.03.2011 06:22

    ... ob das daran liegt, dass die klassische Kunstgeschichte lieber mit Papier arbeitet, als mit dem Web harmoniert?

  • Orkus
    30.03.2011 05:24

    Überlegenswert ist vielleicht, dass es einfach zu hoch gegriffen ist, diese Veranstaltung bei google.news zu suchen.
    Angemessener wäre etwa die News-Suchmaschine paperpall.de, die aber auch nur nach veröffentlichten Meldungen sucht und sie sehr aktuell und kurzfristig auflistet:

    http://www.paperball.de/

    Findet sich aber auch keine Deutscher Kunsthistorikertag unter den Suchergebnissen.

  • Lumo
    29.03.2011 20:44

    Die Resonanz, die der Würzburger Kunsthistorikertag im Netz erfährt, ist erstaunlich gering. Eine Suche bei Google-News mit "Kunsthistorikertag" ergibt keine Treffer (Yahoo kommt zum gleichen Ergebnis). Die Google-Suche in Blogs fördert auch nur einen aktuellen Treffer zu Tage: http://penbrushneedle.wordpress.com/2011/03/29/a-conference-and-a-fortress/
    Woran liegt's?

  • da war wohl niemand... hat es stattgefunden? seltsam! :(

  • Ioana Herbert
    28.03.2011 15:51

    Und? Wie war's? War jemand in Würzburg dabei?

  • Auch mich reizt die Themenstellung in Würzburg nur bedingt. Frank und frei gebe ich zu - und wieder siegt allenthalben der ständig geäußerte Appell zum networking - mich für die Tage entschieden zu haben, an denen die "men of mark" dort zugegen sind (sowohl am Rednerpult als auch beim Abschlussgläschen). Mich würde es nicht wundern, wenn die überwiegende Mehrheit ebenfalls an Tag 1 und 4 zugegen ist... Wäre es wohl möglich, dies nachträglich herauszufinden?

  • Ioana Herbert
    18.02.2011 15:22

    Ja, ist schon klar, dass der Würzburger Kunsthistorikertag erstmal alle anderen Themen in den Schatten stellt. In der aktuellen Ausgabe von "Kunstform" las ich auch bereits drei Rezensionen, die die Bedeutung des Ortes für die Kunstgeschichte hervorheben. Jürgen Wiener schreibt in der Einleitung seiner Rezension zu F. Schwartz, "Il bel cimitero": "Dass Bilder ihre Orte haben und maßgeblich von diesen Orten her bestimmt sind (also der Ort seine Bilder generiert), wie sie umgekehrt diese Orte bestimmen (Bilder den Ort hervorbringen), ist (...) ein Kerngedanke eines Raum- und Produktionsparadigmas, in dem über die Verbindung kulturwissenschaftlicher und genuin kunsthistorischer Ansätze das Fach in der notwendigen Breite, Vielfalt und Interdependenz seiner Gattungen und Aufgaben repräsentiert ist." Petra Lange-Berndt zitiert auch zu Beginn die Autorin E. Spickernagel des rezensierten Buchs "Der Fortgang der Tiere" mit dem Satz: "Von Interesse sind daher 'die Orte und Medien [...], die unsere Bilder vom Tier hervorbrachten' (...)." Schließlich (jedoch nicht zuletzt) las ich die Rezension von Thomas Wilke der Publikation "Mehr königlich als frei" von S. Meyder: "Die Autorin geht in sieben Kapiteln der Frage nach, inwiefern sich das Bauwesen in der ehemaligen Freien Reichsstadt Straßburg nach der französischen Besatzung 1681 verändert und ob sich der neue Status als ville libre royale in einer von der zentralen Pariser Bauverwaltung beeinflussten Architektur wiederspiegelt." Es ist schon klar, dass erstmal überall über Orte in der Kunst gesprochen wird, was ich eigentlich gar nicht für so falsch halte. :)

  • C. E.
    18.02.2011 12:24

    Weitere Informationen zur Sektion "Quellenprobleme der Gartenkunstgeschichte" gibt es übrigens auf artefakt:
    http://www.artefakt-sz.net/kunsthistoriker-im-gespraech/spaziergang-durch-die-gartenkunstgeschichte

  • Martin Höppl
    16.02.2011 17:34

    @ Ioana Herbert: Die Tiepolo-Fresken habe ich mir schon häufiger angesehen. Einmal war ich mit Herrn Staschull von der Schlösser- und Seenverwaltung auch auf dem Dachstuhl - war sehr schön. Die Sektionen werde ich nicht so konsequent besuchen. Ich werde einen Teil der Zeit nutzen und mir u. a. das Käppele anschauen, das jetzt fertig saniert ist. Vielleicht werde ich mir die Sektionen "Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte", "Barocker Schlossbau in Süddeutschland", "Architekturzeichnung", "Quellenprobleme der Gartenkunstgeschichte", "Zeichnung in Kunst und Wissenschaft. Zwischen Darstellungsmedium und Erkenntnisinstrument" und "Stadtbaukunst. Zerstörung und Wiederaufbau" anschauen. Außerdem habe ich vor in die Graphische Sammlung im Martin Wagner-Museum zu gehen. Am Sonntag habe ich mich für den Stadtrundgang zum Städtebau entschieden.

  • Ioana Herbert
    16.02.2011 16:48

    @ Martin Höppl
    Darf ich fragen, für welche Sektion Sie sich entschieden haben? Ich habe das Programm drei Mal durchgelesen und konnte mich - abgesehen von der Besichtigung der Tiepolo-Fresken - für nichts wirklich begeistern. Das Programm ist nicht uninteressant, aber ich glaube, mir fehlte genau das, worauf hier hingewiesen wird. Ein wenig mehr Mut! Auch wenn "jenseits der Aura" die Ernüchterung lauert (obwohl das nicht erwiesen ist), man hat die Expedition wenigstens gewagt... :)

  • Ioana Herbert
    16.02.2011 15:26

    http://www.ciha2012.de/home.html

  • C.M.
    16.02.2011 11:38

    „Theodor Mommsen waren alle technischen Neuerungen zuwider. Als er einmal verreist war, ließ seine Frau elektrisches Licht legen, und der Professor sah sich bei seiner Rückkehr der vollendeten Tatsache gegenüber. Er war wütend und erklärte, daß er seine Petroleumlampe bevorzuge. "Sollst du auch", beruhigte sie ihn, "du brauchst ja bloß den Schalter zu drücken. Wenn es schön hell ist, kannst du in aller Ruhe deine Streichhölzer suchen und deine Lampe anzünden." Das leuchtete ihm ein, und er mußte zugeben, daß Elektrizität eine gute Sache sei.“ Quelle: Internet.

  • Martin Höppl
    15.02.2011 16:20

    Willibald Sauerländer hat vor ein paar Tagen auf einer Ausstellungseröffnung darauf hingewiesen, dass u. a. iconic turn/Bildwissenschaft und Weltkunst/Globalisierung die zentralen Themen unseres Fachs sind, denen wir uns stellen müssen. Und dann gäbe es noch die Kunstgeschichte, wie man sie auf dem nächsten Kunsthistorikertag erleben könne... Also, ich hab mich für Würzburg angemeldet.

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