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Art, Humanities, and Complex Networks

Die erste internationale Tagung zum Thema Kunst, Geisteswissenschaften und komplexe Netzwerke fand am 10. Mai 2010 in Boston, Mass. statt.

http://artshumanities.netsci2010.net/

Zwar ist auch noch nicht ganz ausgemacht, welchen Nutzen die Wissenschaften letztlich aus der Lehre von den Netzen zu ziehen in der Lage sein werden, so ist es doch ratsam, diesen universellen Strukturaspekt in näheren Augenschein zu nehmen. Ein subjektiver Kurzbericht zur Tagung liegt hier.

5 Kommentar(e)

  • >Für Malewitschs Schwarzes Quadrat hingegen fällt nichts Gescheites in Netzform ein...

    Nein. Das ist wohl richtig. Da hilft viel eher eine auf die byzantinische Ikonenmalerei zugeschnittene Stiltheorie eines Heinrich Wölfflin... (Diese kleine Schlechtigkeit sei hier bitte gestattet, eine Abrechnung mit dem "Byzance après Byzance" ist es noch lange nicht.)

    Wenn der Begriff des "Rhizoms" wirklich hilft, Dichotomien zu lösen, scheint es mir interessant, sich darüber - auch jenseits der Medientheorie - einige Gedanken zu machen. Die materielle Seite der Kunst ist gewiss nicht alles, aber ein wichtiger Aspekt. Insofern könnte es durchaus sein, dass die (mir noch nicht vertraute) Netzwerktheorie - wie eigentlich alles, was die Qualität von Kunstwerken näher bestimmen lässt - einige positive Überraschungen bereit hält.

  • Danke! :9

  • Martin Warnke
    28.05.2010 12:27

    Es ist eine Sichtweise, die man schon länger als die rhizomatische, unhierarchische kennt. Allerdings gibt es nun einen einfachen mathematischen, vermessenden Zugang zu solchen Phänomenen. Wo es bislang beim sehr abstrakten Begriff des Rhizoms blieb oder bei einer Rede von Komplexität, kann man nun mit Hilfe der Netzwerktheorie präziser werden. Zu den bereits bekannten Maßen (Breit*Höhe*Tiefe, Gewicht, ...) treten nun auch Strukturmaße: Vernetzungsgrad, Durchmesser und so etwas. Man weiß z. B. ein Netz wie das Internet quantitativ präzise von einem Sprachnetz zu unterscheiden.
    Ich fand die Lektüre von Barabasis "Linked", im Gegensatz zu seinem "Bursts", hochgradig erhellend. Ich empfehle das Buch sehr, mir hat es eine fruchtbare neue Sichtweise ermöglicht.
    Was das speziell für die Kunst heißt, scheint mir noch nicht ausgemacht. Es gibt eben Kunstwerke, die Netzstruktur haben, Anna Oppermanns Ensembles z. B., und da ist es naheliegend, die Beschreibungskategorien für Netze zu verwenden. Für Malewitschs Schwarzes Quadrat hingegen fällt nichts Gescheites in Netzform ein, jedenfalls nicht für das Werk selbst.
    Aber natürlich gab es mit der Informationsästhetik Bensescher Prägung auch schon einmal einen Versuch, Kunst vermessen zu wollen, der grandios gescheitert ist. Wir wissen sehr gut, dass die Welt nicht nur Zahl ist, und man darf nicht zu viel erwarten. Aber es gibt eben auch die materielle Seite der Kunst, ihre formale und nun auch ihre strukturell messbare, die gewiss nicht völlig unerheblich ist.

  • Es tut mir leid, aber ich habe nicht verstanden, worum es bei Tagung in Boston, Mass. zu Beginn dieses Monats ging. Ich habe verstanden, dass es um Kunst, Geisteswissenschaften und komplexe Netzwerke ging, aber ich könnte das Verhältnis, in dem sie zueinander stehen, bzw. auf der Tagung gebracht wurden, nicht wiedergeben. Ich schreibe mal auf, wie weit ich folgen kann.

    Mittels einer Methode wird ein Wissensbereich erschlossen, der sich visuell niederschlägt. Es gibt neue Formen von Bildern (graphische Darstellungen mit Linien und Knoten), die mit Wörtern (Schriftzügen) versehen sind, die etwas aussagen über eine Welt, die primär als im Wandel befindlicher Text (Textur?) verstanden wird. Es gibt Kunst, die mittels der Netzwerktheorie erschlossen wird und Artefakte, die dadurch entstehen, dass die Welt (auch jene der Kunst?) über die Netzwerktheorie erschlossen wird.

    Es gibt dadurch natürlich auch (mit welcher Auslegung auch immer) wechselnde Geflechte von Datenmengen, die die Lieferanten in bestimmte Kontexte setzen und Rückschlüsse auf die Komplexität von sozialen, kulturellen, sprachlichen usw. Zusammenhängen ermöglichen.

    Was soll ich damit anfangen? Sprich: Wie soll ich das (mit Nutzen) meinem kleinen, bescheidenen, von herkömmlichen Rezeptionsmustern und begrenztem Sinnpotential geprägten Universum einverleiben? Es geht um sichtbare Texte, die wie mündliche Literatur funktionieren (oder funktionieren sollen?), um collageartige Bilder, die man nicht greifen kann, um Inhalte, die ständig wandern, um neue Begriffe für Realien, die mittels neuer Technologie aus der Sichtbarmachung des bislang Unsichtbaren entstehen oder geschaffen werden...

    Kurz: ich stehe vor einem fremden Planeten. Ebensowenig wie den Gedanken einer sich ständig im Wandel befindlichen "Work in progress"-Geisteswissenschaft, verstehe ich die Rezeption des Internets als eines im Wandel befindlichen "Texts" (Geflechts? Textur?) nicht, wobei mir wahrscheinlich dieser Moment des Wandels zwischen Realität und Vorstellung im virtuellen Raum entgeht. In ihrer Netzgebundenheit führen Texte ein sich ständig wandelnden Eigenleben?!?

    Ich geb's auf!

  • Hubertus Kohle
    26.05.2010 07:01

    Weil so ein Hype darum gemacht wird, habe ich Barabasi's "Bursts" gelesen. Ehrlich gesagt: ziemlich enttäuschend. Ein Drittel selbstgefällige Berichte aus Begegnungen mit interessanten Leuten, ein Drittel Erzählungen aus der ungarischen Geschichte des 16. Jahrhunderts. Immer wartet man darauf, wozu das Ganze gut sein soll und ist am Schluss enttäuscht, dass dazu auch ein Zehntel des Platzes gereicht hätte. Im letzten Drittel dann die These, dass unser Verhalten mathematisch als power law zu beschreiben ist, dass also intensive Aktivitätsphasen mit Passivitätsphasen abwechseln. Das power law fand ich in Clay Shirkys "Here comes everybody" einsichtiger erklärt. Gerne will ich glauben, dass man aus ihm weitreichende Schlüsse auch für zukünftiges Verhalten ziehen kann. Wirklich erklärt ist das in dem Buch von Barabasi aber nicht. Martin Warnkes Bericht - die Veröffentlichung eines nicht zur Veröffentlichung bestimmten Berichtes :-)- von der Konferenz scheint mir da entschieden erhellender!

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