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Nachruf Reinhart Schleier

Zum Tod des Kunsthistorikers Reinhart Schleier schreibt Monika Steinhauser, Emerita des Kunstgeschichtlichen Institutes der Ruhr-Universität Bochum

Zum Tod des Kunsthistorikers Reinhart Schleier schreibt Monika Steinhauser, Emerita des Kunstgeschichtlichen Institutes der Ruhr-Universität Bochum

 

Reinhart Schleier (geb. 1938) verdient noch einmal den alten Ehrentitel des Gelehrten, der gerade nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt war und keine bloß antiquarische Gelehrsamkeit bezeugte. Bezeichnend dafür war bereits die Wahl seiner Studienfächer Kunstgeschichte, klassische Archäologie, Geschichte und mittellateinische Philologie. Dass dieses Studium für sein ikonologisches Verständnis von Bildern prägend war, zeigte zuerst seine am Londoner Warburg Institut vorbereitete und 1973 publizierte Dissertation, die bis heute ein Maßstab setzendes Standardwerk geblieben ist: Galt sie doch mit der „Tabula Cebetis“ einem Thema, das Antikenrezeption, profane Ikonographie und Ekphrasis im 16. und 17. Jahrhundert verschränkte. Seine späteren wissenschaftlichen Schwerpunkte – die niederländische Malerei mit ihren Fixsternen Rubens und Rembrandt, die Geschichte der Druckgraphik und Bildrhetorik - hat Reinhart Schleier nicht nur in dichten Aufsätzen, sondern auch in seiner engagierten Lehre, in Ausstellungen und begleitenden Katalogen souverän entfaltet: Die anschauliche Form auf ihre Bedeutung hin transparent zu machen und deren Wirkungsgeschichte nachzuzeichnen war dabei das eine, Fragen nach der medialen und institutionellen Vermittlung von Kunst waren das andere Interesse Reinhart Schleiers. Davon profitierte auch sein von der VW-Stiftung finanziertes Projekt „EDV in der Lehre“, das mit Internetpräsentationen eigener und fremder Ausstellungen ganze Studentengenerationen geprägt hat. Dabei war es wieder sein hohes wissenschaftliches Anspruchsniveau, das sich auf die Studenten stimulierend auswirkte. Beispielhaft dafür waren u.a. „Der Welt Lauf. Allegorische Graphikserien des Manierismus“ oder „ Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit“, die auf Reinhart Schleiers eigenen Ausstellungen in der Stuttgarter Staatsgalerie fußten. Dass dabei auch das kritische Verhältnis von Text und Bild nicht nur in der Graphik selbst, sondern auch in der Internetpräsentation reflektiert wurde, versteht sich.

Reinhart Schleiers keineswegs einfacher beruflicher Stationenweg führte ihn zuletzt an die Ruhr-Universität Bochum, wo er zwischen 1989 und 2003 als Professor lehrte und zeitweilig als Dekan der Fakultät für Geschichtswissenschaften wirkte. Nach seiner Emeritierung lebte er sehr zurückgezogen: Sein Tod kam zu früh, um sein großes Projekt einer Geschichte der Druckgraphik noch realisieren zu können.

Monika Steinhauser

1 Kommentar(e)

  • Vielen Dank für den Hinweis auf die Website mit Graphikserien des Manierismus und ihr Autor. Ist es nicht erstaunlich wie einfach die Welt mitten in der abendländischen Glaubenskrise war? Es gab einen Kosmos, der geordnet war, Tugenden und Laster, die ein Gesicht hatten... Kommt eigentlich diese Ordnung mit dem strengen Verfahren des Zeichnens oder muss man zunächst aufgeräumt sein, um so zu zeichnen? :D

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