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Illuminierte Astrologie

Spärlich gekleidete Damen mit wehendem Haar, Kentauren mit gespanntem Bogen, Männer mit vielfarbig gemusterten Hosen im Schwertkampf, Skorpione und Krebse vor leuchtendem Goldgrund. Die Illuminationen des sogenannten "Heidelberger Schicksalsbuchs" sind nicht nur von herausragender Qualität, sondern sie bieten mit ihren Tierkreiszeichen, Mondphasen oder Planetengöttern vielfältige Sujets. Eine Ausstellung ermöglicht nun, die astrologisch-astronomisch-mantische Sammelhandschrift mit ihrer prachtvollen Buchmalerei des ausgehenden 15. Jahrhunderts Seite für Seite im Original zu betrachten.

 

 

Der 275 Pergamentseiten umfassende Codex der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ 832) entstand nach 1491 in Regensburg, vermutlich im Auftrag des Pfalzgrafen Philipp des Aufrichtigen und seiner Frau Margarethe von Bayern-Landshut. Die Handschrift kombiniert Astrologie und Mantik mit einem Kalender und entspricht damit "dem Typus des primär an den interessierten Laien gerichteten Kalendrischen Hausbuchs" (Katharina Ganz). Ihren Namen erhielt sie aufgrund der vielen enthaltenen Wahrsagetexte durch Gustav Friedrich Hartlaub, der 1961/60 erstmals eine eingehendere Untersuchung einzelner Teile vornahm.

 

Bemerkenswert ist zudem, dass als Vorlage der Handschrift zwei Inkunabeln aus der Augsburger Werkstatt des Erhard Ratdolts dienten: das "Astrolabium planum" von 1488 und das "Poeticon astronomicon" von 1491. Hier liegt also bereits kurz nach der Einführung des Buchdrucks der Fall vor, dass nicht die Handschrift die Vorlage für den Druck bildet, sondern dass umgekehrt die Handschrift dem Druck folgt.

 

Der Regensburger Buchmaler Berthold Furtmeyr entwarf die astronomischen Drehbilder auf fol. 16r und fol 103v. Die beiden Astrolabien sind mit drehbaren Scheiben ausgestattet, um Mondstand und Planetenstunden zu bestimmen. Um eine stilisierte Sonne kreisen Planeten- und Tierkreiszeichenbilder. Außerhalb tummeln sich Putten und Frauengestalten, die teilweise bis auf die spitzen Schnabelschuhe unbekleidet sind und von allegorischen Tierdarstellungen begleitet werden.

Die restlichen 542 Illuminationen schuf vermutlich der ebenfalls in Regensburg tätige Thomas Schilt. Es finden sich Illustrationen der Konstellationen, Tierkreiszeichen und Wandelbilder. Die kleinformatigen Miniaturen im "Astrolabium planum" geben Prognosen zu den einzelnen Sternbildern: so etwa thront der Skorpion auf fol. 64r über kämpfenden Männern, zankenden Frauen oder einem Mann, der auf einem Elefanten reitet.

 

Das "Heidelberger Schicksalsbuch" wurde in Vorbereitung einer Faksimilierung ausgebunden. Bevor die Handschrift nun wieder zusammengefügt wird, gibt die Ausstellung in der Universitätsbibliothek Heidelberg, die bis zum 10. Mai zu sehen ist, die Möglichkeit, die einzelnen Seiten im Original zu betrachten - ein Augenschmaus nicht nur für Bibliophile.

 

Anm.:

Wissenschaftliches Katalogisat der Handschrift durch Katharina Ganz

http://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/module/extlinks.php/pool/palatina/sig/germ.%20832

1 Kommentar(e)

  • Dottore
    19.05.2009 06:10

    Dieser Beitrag gefällt mir sehr. Da muß ich immer an Aby Warburg denken. Wahrscheinlich weil er auch so sehr Zimelien liebte... Wäre ich in Heidelberg, so würde ich täglich vorbeigehen, um mir diese Handschrift anzusehen. Sicher kann man inzwischen ähnliches auf dem Bildschirm haben, aber es bleibt ein unvergleichlich größerer Genuß so ein Exemplar in den Händen (oder zumindest ganz nah vor den Augen) zu haben.

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